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22 Pestizide im Zusammenhang mit Prostatakrebs

05. November 2024 | von Ingrid Müller

Prostatakrebs kann womöglich mit Pestiziden zusammenhängen. 22 Pestizide erhöhten in einer Studie das Prostatakrebsrisiko – vier standen auch mit einer erhöhten Sterblichkeit in Verbindung.

Die Ursachen von Prostatakrebs sind noch weitgehend unbekannt, aber es wurde einige Risikofaktoren für diese Krebsart identifiziert. Dazu gehören zum Beispiel das Alter, die Gene oder Hormone. Andere Risikofaktoren wie die Ernährung (z.B. Milch), Fettleibigkeit (Adipositas), entzündliche Prozesse der Prostata oder eine Sterilisation (Vasektomie) werden noch diskutiert.

Forschende aus den USA haben jetzt vielleicht einen neuen Risikofaktor ausgemacht: Pestizide. Identifiziert wurden 22 Pestizide, die in den USA mit der Entwicklung von Prostatakrebs in Verbindung stehen könnten. Vier dieser Pestizide könnten womöglich sogar das Sterberisiko erhöhen. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichte die Forschungsgruppe um Dr. Simon John Christoph Soerensen von der Stanford University School of Medicine im renommierten Fachblatt „Cancer“ der American Cancer Society.

Pestizid Chlordecon

Auf den Antillen wurde es auf Bananenplantagen eingesetzt – viele Landarbeiter erkrankten. Jetzt gilt Prostatakrebs im Zusammenhang mit Chlordecon als Berufskrankheit. 

Prostata Hilfe Deutschland: Bananenstauden
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22 Pestizide stehen in Verbindung mit Prostatakrebs

Die Forschenden untersuchten insgesamt 295 verschiedene Pestizide, die häufig in den USA zum Einsatz kommen, auf ihre Verbindung zu Prostatakrebs. Sie veranschlagten einen Zeitraum von 10 bis 18 Jahren vom Kontakt (der Exposition) mit dem Pestizid und dem Auftreten von Prostatakrebs. So trugen sie der Tatsache Rechnung, dass Prostatakrebs meist sehr langsam wächst. Die Jahre 1997 bis 2001 und 2002 bis 2006 wurden für die Pestizidexposition und die Jahre 2011 bis 2015 sowie 2016 bis 2020 für das Auftreten von Prostatakrebs untersucht.

Insgesamt fanden sie 22 Pestizide, für die sich ein direkter Zusammenhang mit Prostatakrebs nachweisen ließ. Für drei Pestizide ließ sich schon früher eine Verbindung zum Prostatakarzinom zeigen. Darunter war auch das Pestizid namens 2,4-D (2,4-Dichlorphenoxyessigsäure) – eines der am häufigsten in den USA eingesetzten Pestizide. Auch in Deutschland wird 2,4-D in verschiedenen Pflanzenschutzmitteln eingesetzt.

Die anderen 19 Pestizide waren vorher noch nicht mit der Entwicklung von Prostatakrebs in Zusammenhang gebracht worden. Zu diesen gehörten zehn Herbizide, verschiedene Fungizide und Insektizide sowie ein Bodenbegasungsmittel.

Unter den Herbiziden befand sich auch das in die Kritik geratene Glyphosat, das eigentlich ab dem 1.1.2024 verboten sein sollte. Die EU-Kommission genehmigte den Einsatz von Glyphosat jedoch erneut. Hintergrund: Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kam in ihrem Bericht zur  Schlussfolgerung, dass es keine inakzeptablen Risiken bei der Verwendung des Mittels gebe. 

Allerdings hat die EFSA Datenlücken in mehreren Bereichen festgestellt. Die Behörde konnte zum Beispiel Fragen zu ernährungsbedingten Risiken für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht abschließend beurteilen, wie das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) auf seiner Webseite schreibt. Glyphosat ist das am häufigsten eingesetzte Totalherbizid und wird vor allem in der Landwirtschaft verwendet, um unerwünschte Kräuter und Gräser zu bekämpfen. Es lässt jede Pflanze absterben.

Vier Pestizide könnten sogar das Sterberisiko erhöhen

Vier Pestizide erhöhten nicht nur das Prostatakrebsrisiko, sondern auch waren auch mit einer erhöhten Sterblichkeit durch das Prostatakarzinom verbunden. Dabei handelte es sich um die drei Herbizide Trifluralin, Cloransulam-methyl und Diflufenzopyr sowie das Insektizid Thiamethoxam. Nur Trifluralin hat die Environmental Protection Agency als „mögliches humanes Karzinogen“ eingestuft. Die anderen drei wurden als „wahrscheinlich nicht karzinogen“ klassifiert oder es gebe sogar Beweise für die „Nicht-Karzinogenität“.

Trifluralin ist in der Europäischen Union seit 2007 nicht mehr zugelassen. Für Cloransulam-methyl gibt es in Europa keine Zulassung. Diflufenzopyr ist im Verzeichnis zugelassener Pflanzenschutzmittel nicht genannt (https://psm-zulassung.bvl.bund.de/psm/jsp/). Die Anwendung von Thiamethoxam ist in Deutschland seit September 2018 nur noch einschränkt und innerhalb  von Gewächshäusern erlaubt.

Weitere Risikofaktoren aufdecken - Prostatakrebsfälle vermindern

„Die Studie zeigt, wie wichtig es ist, die Umwelt-Expositionen zu untersuchen, zum Beispiel beim Einsatz von Pestiziden“, erklärt Soerensen von der Stanford University School of Medicine, der leitende Autor der Studie. „Womöglich lassen sich dadurch einige der geographischen Unterschiede erklären, die wir beim Auftreten von Prostatakrebs und den Todesfällen in den USA beobachten, so der Experte weiter. Auf der Basis der Studienergebnisse ließen sich weitere Risikofaktoren für Prostatakrebs identifizieren und ausschalten und die Anzahl der Männer vermindern, die an einem Prostatakarzinom erkrankten, hofft er.

Quellen:

  • Simon John Christoph Soerensen, David S. Lim, Maria E. Montez-Rath, Glenn M. Chertow, Benjamin I. Chung, David H. Rehkopf, and John T. Leppert: “Pesticides and Prostate Cancer Incidence and Mortality: An Environmental Wide Association Study.” CANCER; Published Online: November 4, 2024 (DOI: 10.1002/cncr.35572).
    URL Upon Publication: http://doi.wiley.com/10.1002/cncr.35572
  • Wiley, https://newsroom.wiley.com/press-releases/press-release-details/2024/Study-reveals-links-between-many-pesticides-and-prostate-cancer/default.aspx
  • Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL), https://www.bmel.de/SharedDocs/FAQs/DE/faq-glyphosat/FAQ-glyphosat_List.html (Abruf: 5.11.2024)
  • Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), https://psm-zulassung.bvl.bund.de/psm/jsp/ und https://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Fachmeldungen/04_pflanzenschutzmittel/2018/2018_08_22_Fa_Widerruf_Neonikotinoide.html (Abruf: 5.11.2024)