Zurück zur Übersicht

Lokaler Prostatakrebs – ein Virus als Krebstherapie

23. Juni 2025 | von Ingrid Müller

Ein Virus namens CAN-2409 in Kombination mit einem antiviralen Wirkstoff könnte eine neue Behandlung für Männer mit lokalem Prostatakrebs sein. In einer Studie senkte die Kombination das Risiko für ein Rezidiv und den Tod. 

Bei einem lokal begrenzten Prostatakrebs ist der Tumor noch auf die Prostata beschränkt. Er hat sich noch nicht auf benachbartes oder weiter entferntes Gewebe wie die Knochen ausgebreitet. Solche Tumoren können verschieden bösartig sein und ein niedriges, mittleres oder hohes Risiko besitzen, sich weiter auszubreiten. Normalerweise behandeln Ärztinnen und Ärztinnen Prostatakarzinome mit mittlerem oder hohem Risiko mittels Operation (radikale Prostatektomie), Strahlentherapie von außen über die Haut und / oder einer Hormontherapie.

Allerdings entwickelt ungefähr 30 Prozent der Männer nach einer Bestrahlung ein Rezidiv – der Tumor kehrt zurück. Dann folgen in der Regel eine Hormontherapie und Salvage („Rettungs“)-Therapien, zum Beispiel eine weitere Bestrahlung. Diese erneuten Behandlungen können die Lebensqualität und das Wohlbefinden beeinflussen. 

Rezidiv bei Prostatakrebs

Ein Rezidiv lässt sich meist durch den Anstieg des PSA-Wertes erkennen. Lesen Sie, welchen Behandlungen es dann gibt. 

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild - Medizinerhand mit blauem Handschuh hält im Labor eine Blutprobe
© StudioLaMagica/Adobe Stock

Ein Forschungsteam um den Radioonkologen Prof. Theodore De-Weese von der Johns Hopkins University School of Medicine in Baltimore entwickelte jetzt eine neue Behandlungsstrategie für das lokale Prostatakarzinom mit mittlerem oder hohem Risiko: Eine Kombination aus einem Virus mit dem Kürzel CAN-2409 und dem antiviralen Wirkstoff Valaciclovir. Ihre Studie zeigte, dass die Behandlung infizierte Krebszellen abtöten kann und sich der Tumor langfristig kontrollieren lässt. Die Studienergebnisse stellten die Forschenden auf der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2025 in Chicago vor.

Virus CAN-2409 und Valaciclovir im Doppelpack

CAN-2409 ist ein Adenovirus, dem die Fähigkeit zu Teilung und Vermehrung fehlt. Man sagt, das Virus ist „replikationsdefizient“. CAN-2409 enthält den Bauplan für die Thymidinkinase (ein Enzym) des Herpes-simplex-Virus (HSV). Die Bauanleitung für das Enzym ist im HSV-TK-Gen verschlüsselt. Dieses Gen ist normalerweise nicht in menschlichen Zellen vorhanden. CAN-2409 wird direkt in den Tumor injiziert. Die Krebszellen beginnen anschließend mit der Produktion des viralen Enzyms HSV-TK.

In einer Phase3-Studie der höchsten Qualitätsstufe (doppelblind, randomisiert, placebokontrolliert) überprüfte das Team an mehreren Zentren die Wirksamkeit und Verträglichkeit des neuen Virus. Kombiniert wurde es mit dem Wirkstoff Valaciclovir, einer so genannten Prodrug. Das sind Arzneistoffe, die einem Patienten oder einer Patientin in einer inaktiven Form verabreicht werden. Erst durch verschiedene Prozesse oder spezielle Substanzen werden sie im Körper in einen aktiven Wirkstoff umgewandelt. 

Valaciclovir funktioniert so:

  • Es wird im Körper in Aciclovir umgebaut. 
  • In den Zellen, die HSV-TK enthalten, wird Aciclovir durch das Enzym chemisch verändert. Dies ist der erste Schritt der Aktivierung.
  • Danach wird es weiter chemisch umgewandelt und so in seine aktive Form überführt
  • Diese aktive Form wird in das Erbgut (DNA) der sich teilenden Tumorzellen eingebaut. In der Folge kommt es zu DNA-Strangabbrüchen, einem Stopp der Zellzyklus und schließlich zum programmierten Zelltod (Apoptose).

Die Behandlung mit CAN-2409 ruft vermutlich auch das Immunsystem auf den Plan. Durch den Tod der Tumorzellen werden tumorspezifische Antigene (Eiweiße) freigesetzt. Diese können eine Antwort des Immunsystems auslösen, die durch die T-Zellen (Immunzellen) vermittelt wird. Das Abwehrsystem könnte die Tumorzellen dann erkennen und aktiv bekämpfen. 

Risiko für Rezidiv und Tod sinkt

An der Studie nahmen 745 Männer teil, bei denen eine Strahlentherapie von außen und /oder eine kurzzeitige Hormontherapie von unter sechs Monaten geplant war. Sie wurden nach dem Zufallsprinzip per Los auf zwei Gruppen (2:1) aufgeteilt:

  • 496 Männer erhielten CAN-2409 und die Prodrug Valaciclovir.
  • Die übrigen Männer bekamen ein Placebo (ohne Wirkstoff) plus Valaciclovir. 
  • Begleitend erhielten alle Männer eine Strahlentherapie mit oder ohne eine halbjährige Hormontherapie. 


Ärztinnen und Ärzte injizierten den Männern dreimal  alle zwei Wochen CAN-2409 beziehungsweise ein Placebo in die Prostata.  Dies geschah über den Damm (transperineal) oder über den Darm (transrektal). Nach jeder Injektion folgte eine 14-tätige Behandlung mit Valaciclovir. Das Medikament nahmen die Männer oral (über den Mund) ein. 

Die Forschungsgruppe beobachtete die Männer nach dem Abschluss der Strahlentherapie zwei Jahre lang. Im Schnitt lag der Zeitraum der Nachbeobachtung bei 50,3 Monate. Zur Kontrolle entnahmen sie eine Gewebeentnahme (Biopsie) aus der Prostata. Die Forschenden bestimmten das Überleben der Männer ohne die Erkrankung Prostatakrebs, also die Zeitspanne ohne Rezidiv, Fernmetastasen oder Tod. 

Die zentralen Ergebnisse der Studie:

  • Die Behandlung mit CAN-2409 verminderte das Risiko um 30 Prozent, dass der Prostatakrebs zurückkehrte oder Männer daran starben. 
  • Wurden die Todesfälle ausgeschlossen, die nicht auf Prostatakrebs zurückzuführen waren, reduzierte sich das Risiko in der CAN-2409 Gruppe sogar noch stärker: um 38 Prozent. 
  • In der CAN-2409-Gruppe erreichte ein höherer Prozentsatz der Männer den PSA-Nadir im Vergleich zur Placebo-Gruppe (67,1 Prozent versus 58,6 Prozent). Der PSA-Nadir ist der niedrigste gemessene PSA-Wert nach einer Prostatakrebsbehandlung wie einer Strahlentherapie oder Operation.
  • Auch ließ sich bei mehr Männern in der CAN-2409-Gruppe in der Biopsie nach zwei Jahren eine vollständige Remission des Tumors nachweisen (80,4 Prozent versus 63,6 Prozent). Der Tumor hatte sich vollständig zurückgebildet.

 

Die Behandlung mit dem Virus und der Prodrug Valaciclovir verursachte auch einige Nebenwirkungen, die aber meist von selbst wieder abklangen. Die häufigsten Beschwerden durch die Virustherapie waren Schüttelfrost, grippeähnliche Symptome und Fieber. Schwere Nebenwirkungen traten selten auf. 

Das Fazit der Forschungsgruppe: CAN-2409 reduzierte das Risiko für eine Rückkehr des Prostatakarzinoms oder den Tod deutlich, wenn die Behandlung mit dem Virus zusätzlich zu einer Strahlentherapie und / oder Hormontherapie durchgeführt wurde. “Die Daten spiegeln die erste neue Behandlung für Männer mit einem Mittelgradig- oder Hochrisiko-Prostatakrebs in den letzten 20 Jahren wider”, schreibt die Forschungsgruppe.
 

Quellen:

  • Theodore L. DeWeese et al. Phase 3, randomized, placebo-controlled clinical trial of CAN-2409+prodrug in combination with standard of care external beam radiation (EBRT) for newly diagnosed localized prostate cancer.. JCO 43, 5000-5000(2025). https://ascopubs.org/doi/10.1200/JCO.2025.43.16_suppl.5000
  • Cancer Network, https://www.cancernetwork.com/view/novel-therapy-receives-fda-rmat-designation-in-localized-prostate-cancer
  • Urology Times, https://www.urologytimes.com/view/fda-awards-regenerative-medicine-advanced-therapy-designation-to-can-2409-for-prostate-cancer