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Beckenbodentraining für Männer - Übungen und Tipps

17. Oktober 2019 | von Ingrid Müller

Das Beckenbodentraining für Männer ist für viele ein noch unbekanntes Terrain. Dabei kann ein starker Beckenbodenboden bei Inkontinenz nach einer Prostatakrebs-Op oder Strahlentherapie helfen. Auch die Potenz soll es wieder stärken.

Beckenbodentraining ist nicht nur etwas für Frauen. Auch Männer mit Prostatakrebs, die sich einer Operation unterzogen haben und anschließend unter Inkontinenz leiden, profitieren von einer starken Beckenbodenmuskulatur. Das Gleiche gilt für Männer mit einer gutartigen Prostatavergrößerung. Sogar bei Erektiler Dysfunktion, etwa nach einer Prostatektomie, soll das Beckenbodentraining gut sein, weil es die Durchblutung fördert und so die Potenz stärkt.

Das erste Training absolvieren Sie am besten vor der Prostata-Op. So schärfen Sie schon vorher Ihre Wahrnehmung, wie sich der Beckenboden hebt und senkt und wie der Schnürmuskel funktioniert. Nach der Operation ist es oft schwieriger, ein Gefühl dafür zu bekommen.

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Beckenboden – das unbekannte Terrain

Bis heute fristet das Beckenbodentraining bei Männern oft noch ein stiefmütterliches Dasein, denn man sieht und spürt den Beckenboden nicht. So wissen viele Männer (wie Frauen) nicht, wo er sich genau befindet oder wofür er überhaupt gut ist. Doch der Beckenboden lässt sich willentlich anspannen, entspannen und bewegen. Sie können ihn gezielt stärken wie andere Muskeln an den Armen oder Beinen auch.

Wie dies genau funktioniert, erlernen Sie am besten bei einem Physiotherapeuten mit der Zusatzausbildung zur Beckenbodentherapie . Ärzte verschreiben die Beckenbodengymnastik bei Inkontinenz nach einer Prostata-Op.

Das Argument, dass man keine Zeit zum Üben hat, zählt nicht.“

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Was ist der Beckenboden?

Der Beckenboden besteht aus zwei Muskelschichten sowie den Schnürmuskeln um die Harnröhre und den Darm. Er bildet die untere Begrenzung zwischen dem Beckeninnenraum und der Außenwelt. An den Rändern ist der Beckenboden nach oben gebogen. Sie können ihn sich wie einen schwingenden Boden vorstellen, der sich beim Atmen mit bewegt. Bei Männern besitzt der Beckenboden zwei Öffnungen – für den Enddarm und die Harnröhre. Bei Frauen kommt zusätzlich eine Öffnung für die Scheide hinzu. Frauen haben also eine „Schwachstelle“ mehr als Männer.

Frauen ist das Beckenbodentraining meist besser bekannt, vor allem nach einer Schwangerschaft und Geburt. Denn beide Faktoren strapazieren den weiblichen Beckenboden enorm und schwächen die Muskulatur. Allerdings können auch bei Männern die Beckenbodenmuskeln erschlaffen, zum Beispiel wenn sie viel Zeit im Sitzen verbringen, eine schlechte Körperhaltung pflegen, bei Übergewicht und Fettleibigkeit oder nach einer Prostataoperation und Strahlentherapie.

 

Welche Aufgaben hat der Beckenboden?

Ein starker, gesunder Beckenboden hat gleich mehrere Aufgaben. Die Muskulatur:

  • fördert den Halt der Organe im Bauch und Becken
  • unterstützt die Schließmuskeln von Harnröhre und After bei ihrer Arbeit – Harn- und Stuhlinkontinenz kommen seltener vor
  • hilft, einem hohen Druck im Bauchraum besser standzuhalten, etwa beim Husten, Niesen, Lachen, schweren Heben oder Pressen beim Stuhlgang

 

Menschen mit einer geschwächten Beckenbodenmuskulatur leiden besonders oft unter Inkontinenz. Auch bei Männern mit Prostatakrebs kommt sie nach einer Operation gehäuft vor. Doch durch Beckenbodengymnastik können Sie dem unwillkürlichen Harnverlust entgegensteuern.

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Den Beckenboden erspüren – so geht’s!

Am Anfang des Beckenbodentrainings steht immer, dass Sie die Muskeln im Inneren zunächst einmal wahrnzuehmen lernen. Erst wenn Sie den Beckenboden erspürt haben, können Sie gezielt an der Muskulatur arbeiten und sie kräftigen. Bei der Wahrnehmung helfen Ihnen folgende Übungen:

  • Setzen Sie sich auf einen prall aufgepumpten Pezziball und bewegen oder kreisen Sie Ihr Becken in verschiedene Richtungen. Der Beckenboden liegt dabei direkt auf der Balloberfläche auf.
  • Versuchen Sie, den Damm „nach innen“ in den Körper zu ziehen. So kontrahiert sich die Beckenbodenmuskulatur. Bei Männern befindet sich der Damm übrigens zwischen dem Hodensack und After. Der Damm besteht hauptsächlich aus Beckenbodenmuskulatur.

 

Die richtige Atmung ist beim Erspüren des Beckenbodens sehr wichtig, denn das Zwerchfell und der Beckenboden spielen eng zusammen und bewegen sich synchron, und zwar so:

  • Einatmen: Das Zwerchfell senkt sich und die Organe im Bauch werden nach unten gedrückt. Der Beckenboden entspannt sich und senkt sich ebenfalls nach unten.
  • Ausatmen: Das Zwerchfell hebt sich, die Beckenbodenmuskeln ziehen sich zusammen, der Beckenboden hebt sich und die Bauchorgane werden nach oben gedrückt.

 

Eine Atemübung, die Ihnen Ihren Beckenboden ein wenig näher bringt:

  • Legen Sie sich auf den Rücken und stellen Sie die Beine leicht gegrätscht auf.
  • Legen Sie Ihre Hände locker auf den Bauch und spüren Sie, wie sich die Bauchdecke unter den Händen beim Einatmen hebt und beim Ausatmen wieder senkt.
  • Atmen Sie tief durch die Nase ein und durch den Mund stoßweise wieder aus – so vergrößern Sie die Bewegung des Bauchs.
  • Nach einigen tiefen Atemzügen atmen Sie wieder normal weiter.

 

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Beckenbodentraining für Männer: Übungen

Es gibt eine Vielzahl verschiedener Übungen, die Sie im Sitzen, Liegen oder Stehen ausführen können. Zudem existieren verschiedene Konzepte fürs Beckenbodentraining, nach denen Physiotherapeuten arbeiten. So können sich die Übungen selbst, aber auch deren Ausführung unterscheiden.

Starten Sie mit der Beckenbodengymnastik nicht auf eigene Faust, sondern erlernen Sie die Übungen bei einem Physiotherapeuten mit der Zusatzausbildung zur Beckenbodentherapie. So wissen Sie anschließend, wie Sie die Übungen korrekt ausführen.

Übung 1: Auf die Knie und Ellenbogen!

  • Begeben Sie sich auf die Knie: Die Oberschenkel stehen senkrecht, die Unterschenkel sind waagrecht auf dem Boden positioniert und die Knie stehen in der Breite des Beckens auseinander.
  • Platzieren Sie Ihre Ellenbogen waagrecht auf den Boden.
  • Verteilen Sie Ihr Körpergewicht gleichmäßig auf alle vier „Stützen“ und finden Sie eine möglichst angenehme Position.
  • Jetzt bewegen Sie Ihr Steißbein in Richtung des Bodens und der Füße. Die Lendenwirbelsäule rundet sich zum „Buckel“ und das Becken richtet sich auf. Der Kopf deutet nach unten.
  • Anschließend bewegen Sie Ihr Steißbein in die umgekehrte Richtung zum Hinterkopf – das Becken wird dabei gekippt.

Wenn Sie die Bewegung verinnerlicht haben: Atmen Sie ein, wenn Sie Ihr Becken aufrichten und spannen Sie den Beckenboden an, weiteratmen und die Spannung mehrere Atemzüge lang anhalten. Dann wieder lockern und das Becken wieder kippen.

Übung 2: Imaginäre Uhr

  • Setzen Sie sich auf einen Stuhl und schieben Sie Ihre Hände von der Seite unter Ihre beiden Sitzbeinhöcker. Diese knöchernen Vorsprünge können Sie im unteren Bereich des Pos ertasten kann.
  • Stellen Sie sich vor, Sie würden auf einer imaginären Uhr sitzen. Kippen Sie Ihr Becken abwechselnd in Richtung der 3, 6, 9 und der 12 auf dem Zifferblatt. Auf diese Weise bewegen Sie Ihr Becken zur Seite, nach hinten und nach vorne.

 

Beckenbodentraining für Männer – 5 Tipps für den Alltag

Daneben gibt es einige Tipps für den Alltag, wie Sie zu viel Druck auf Ihren Beckenboden vermeiden und die Muskulatur stärken – und nicht weiter schwächen.

1. Richtig aufstehen

Wenn Sie aus dem Liegen aufstehen möchten, rollen Sie sich zuerst auf die Seite. Dann stützen Sie sich auf und richten den Oberkörper auf – Sie „rollen“ sich also seitlich aus dem Bett. So vermindern Sie den Druck auf den Beckenboden. Wenn Sie Ihren Oberkörper direkt aus dem Liegen gerade aufrichten, drückt nämlich die kontrahierte Bauchmuskulatur den Beckenboden nach unten.

 

2. Auf eine gerade Haltung achten

Achten Sie beim Sitzen und Gehen darauf, dass Sie Ihren Rücken möglichst aufrecht und gerade halten. Wenn Sie krumm und buckelig auf dem Stuhl sitzen oder laufen, stauchen Sie die Bauchorgane zusammen – und diese drücken dann auf die Beckenbodenmuskulatur, was sie schwächt.

 

3. Lasten richtig anheben

Wenn Sie schwere Lasten heben müssen, tun Sie dies in der richtigen Haltung:

  • Gehen Sie in die Knie (Hocke) und heben Sie Gegenstände mit geradem Oberkörper auf – die Kraft kommt dabei aus Ihren Beinmuskeln.
  • Atmen Sie möglichst konstant bei der Belastung weiter und halten Sie nicht die Luft an.
  • Halten Sie das Gewicht möglichst nah am Körper. Eventuell spannen Sie zusätzlich den Beckenboden an.

Doch viele heben Lasten falsch: Sie beugen ihren Rücken und heben schwere Gegenstände mit durchgestreckten Knien an.

 

4. Dynamisch stehen und gehen

  • Stellen Sie die Beine hüftbreit auseinander. Die Füße zeigen leicht nach außen und Sie belasten beide gleichmäßig.
  • Halten Sie Ihre Knie locker und kippen Sie das Becken leicht. Die Brustwirbelsäule ist aufgerichtet, das Brustbein angehoben und der Nacken lang.
  • Wenn Sie ausatmen, nehmen Sie die beschriebene Position ein und spannen den Beckenboden an.
  • Heben Sie abwechselnd das rechte und linke Bein einige Zentimeter vom Boden an (als würden Sie gehen) und halten Sie die Spannung des Beckenbodens dabei.
  • Den Atem einfach weiterfließen lassen.

 

5. Husten und Niesen

Wenn sie Husten oder Niesen, schauen Sie am besten nach oben oder über die Schulter. So vermindern Sie den Druck im Bauchraum und schonen Ihren Beckenboden.

Quellen: