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Komplementär- und Alternativmedizin bei Krebs – was hilft, was nicht?

16. Juni 2025 | von Ingrid Müller - Chefredakteurin, aktualisiert und medizinisch geprüft

Die Hälfte aller Menschen mit Krebs wendet mindestens eine Methode aus der Komplementär- und Alternativmedizin an – von Akupunktur bis Yoga. Welche Methoden können krebskranke Menschen probieren, was sollten sie besser lassen? Eine Übersicht!

Kurzüberblick

  • Etwa die Hälfte aller Menschen mit Krebs nutzt komplementär- und alternativmedizinische Methoden (CAM).
  • Sie möchten Nebenwirkungen lindern, aktiv etwas zur Genesung beizutragen oder das Wohlbefinden steigern. 
  • Die Integrative Onkologie verbindet schulmedizinische Behandlungen mit ergänzenden CAM-Methoden – auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse.
  • Die S3-Leitlinie zur Komplementärmedizin gibt Orientierung, welche Methoden bei welchen gesundheitlichen Problemen unterstützend empfohlen, möglich oder nicht empfohlen sind und von welchen sogar abzuraten ist.

Homöopathie, Akupunktur, Yoga, pflanzliche Mittel oder Vitamine und Mineralstoffe als Nahrungsmittel – die Liste von Methoden der Komplementär- und Alternativmedizin (KAM oder CAM) ist lang – und unübersichtlich. Was könnte bei einer Krebserkrankung helfen und bei welchen Methoden ist eher Vorsicht geboten? Die Leitlinie zur Komplementärmedizin in der Onkologie liefert Antworten. 

Viele Menschen mit einer Krebserkrankung nutzen die Komplementärmedizin. Die Motive sind verschieden. Die einen möchten selbst aktiv werden und ihrer Krebserkrankung etwas entgegensetzen, andere möchten die Nebenwirkungen von Krebstherapien oder Beschwerden lindern. Rund die Hälfte aller Menschen mit einer Krebserkrankung wendet mindestens eine komplementärmedizinische Methode im Verlauf der Erkrankung oder nach dem Abschluss der Therapien an. Zu dieser Zahl kommt die Patientenleitlinie zur Komplementärmedizin.

In der Onkologie wurde inzwischen eine eigene Fachrichtung etabliert, die Integrative Onkologie. Sie befasst sich mit den Methoden und Wirkungen der Komplementärmedizin bei Krebs. Zum Einsatz kommt eine Kombination aus schulmedizinischer und komplementärmedizinischer Behandlung, also eine ganzheitliche Krebstherapie.

Komplementärmedizin

Wie erkenne ich seriöse und unseriöse Angebote und wo sollte ich vorsichtig sein? Eine Checkliste mit Kriterien!

 

Prostata Hilfe Deutschland: Nahaufnahme von getrockneten Blumen und Kräutern, die aus einem Glas auf eine Oberfläche verschüttet sind.
Monfocus/Pixabay.de

Komplementärmedizin bei Krebs – Methoden von A bis Z

Wichtig ist, dass die Komplementärmedizin keine Alternative zur schulmedizinischen Behandlungen ist, sondern eine Ergänzung und Unterstützung. Es gibt einige Methoden, die Menschen mit einer Krebserkrankung helfen können oder die sich speziell für Männer mit Prostatakrebs eignen könnten. Lesen Sie eine Übersicht aus der Leitlinie mit positiven Empfehlungen. Die Autoren und Autorinnen der Leitlinien haben außerdem unterschieden, ob die Methode angewendet werden "kann“ oder „sollte“.

Akupunktur

Die Akupunktur ist ein Teil der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM). Dabei setzen Akupunkteurinnen und Akupunkteure dünne Nadeln an bestimmten Stellen des Körpers. Die Nadelstiche solle  eine therapeutische Wirkung erzeugen. Bei Menschen mit Krebs kann/sollte die Akupunktur in diesen Fällen eingesetzt werden:

  • (Tumor)Schmerzen (sollte)
  • Ein- und Durchschlafstörungen (kann)
  • Chronische Erschöpfung (Fatigue) (kann)
  • Eingeschränkte Lebensqualität während und nach einer Krebsbehandlung (allgemein oder aufgrund der Tumorerkrankung vermindert) (kann)
  • Wechseljahresbeschwerden (kann) – Symptome wie Hitzewallungen oder Schweißausbrüche sind auch bei Männer während einer Hormontherapie möglich 
  • Nervenschmerzen (kann) – Nervenschmerzen (Neuropathie)  können im Zusammenhang mit einer Chemotherapie auftreten.
  • Schmerzen nach einer Operation (kann) – nach einer Prostata-OP, der radikalen Prostatektomie, verspüren viele Männer Schmerzen
  • Übelkeit und Erbrechen (kann) – beide Symptome kommen oft im Rahmen von platinbasierten Chemotherapien vor, die Akupunktur sollte aber nur ergänzend zu Medikamenten (Antiemetika) angewendet werden.
  • Mundtrockenheit, zum Beispiel nach einer Strahlentherapie

 

Akupressur

Die Akupressur ist eng verwandt mit der Akupunktur. Allerdings setzen Therapeutinnen und Therapeuten anstelle von Nadeln meist ihre Hände ein, manchmal auch ihre Ellenbogen, Knie oder Füße. Damit spüren sie bestimmte Druckpunkte auf und bearbeiten sie manuell. Die Akupressur kann für Menschen mit einer Krebserkrankung hilfreich sein, auch bei Prostatakrebs. Eine Unterstützung sein kann sie bei:

  • Chronischer Erschöpfung (Fatigue)
  • (Tumor)Schmerzen – hier kann besonders die Ohr-Akupressur helfen
  • Übelkeit und Erbrechen im Rahmen einer Chemotherapie oder Strahlentherapie

 

Cannabinoide

Cannabinoide sind  Substanzen, die aus weiblichen Hanfpflanzen (Cannabis) gewonnen werden. Sie wirken beruhigend, entspannend, angstlösende und schmerzlindernd. Beispiele für Wirkstoffe sind Tetrahydrocannabinol (THC) und Cannabidiol (CBD). THC oder CBD kann bei krebskranken Menschen mit diesen Beschwerden eingesetzt werden:

  • Schmerz – wenn eine Therapie mit Opioiden nicht ausreichend wirksam ist.
  • Übelkeit und Erbrechen aufgrund einer Chemotherapie – wenn die Opioidtherapie nicht genügend wirkt

 

Alternativmedizin  bei Krebs

Die Alternativmedizin kann zur Gefahr werden und mehr schaden mehr als nützen, ergab eine Studie.

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild - Kräuter im Glas
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Ginseng

Ginseng gilt als traditionelles pflanzliches Arzneimittel, das allgemein eine stärkende Wirkung haben soll. Ginseng kann Menschen mit einer Krebserkrankung helfen, die unter Fatigue leiden.

Homöopathie

Die Homöopathie geht auf den deutschen Arzt Samuel Hahnemann zurück. Die Idee: Ähnliches durch Ähnliches zu heilen. Die homöopathischen Grundsubstanzen werden dabei immer weiter verdünnt (potenziert), bis sie schließlich nicht mehr nachweisbar sind. Die Homöopathie in der klassischen Form kann bei Krebskranken eingesetzt werden, um die Lebensqualität zu verbessern.

Ingwer

Ingwer ist ein bewährtes Hausmittel, das vielfältige Wirkungen besitzt. Krebskranke Menschen, die aufgrund einer Chemotherapie unter Übelkeit und Erbrechen leiden, kann Ingwer eingesetzt werden. Es sollte aber nur als Zusatz zu Medikamenten angewendet werden, die Übelkeit und Erbrechen bekämpfen. Diese Arzneimittel heißen Antiemetika. 

Körperliche Aktivität und Sport

Wer körperlich aktiv ist, sich möglichst viel im Alltag bewegt und Sport treibt, verträgt die Krebsbehandlungen oft besser. Außerdem profitieren der gesamte Körper, die Psyche und der Geist von Bewegung. Körperliche Aktivität und Sport sollen bei Menschen mit einer Krebserkrankung zum Einsatz kommen. Sie können eventuell eine Fatigue lindern und die Lebensqualität verbessern. Wichtig ist jedoch, dass Sie immer die Art und Intensität des Trainings mit Ihren behandelnden Ärzten und Ärztinnen besprechen. Das Training sollte an Ihre persönliche Leistungsfähigkeit angepasst sein und Sie nicht überfordern. 

Meditation

Die Meditation soll die Gedanken und den Geist zur Ruhe bringen, indem Sie sich in sich selbst „versenken“. Seit Jahrtausenden praktizieren Menschen diese spirituelle Praxis, meist in fernöstlichen Ländern. Aber auch hierzulande probieren immer mehr Menschen die Meditation und Geistesübungen aus. 

Für Menschen mit Krebs kann sie bei Depressivität während und nach dem Abschluss einer Chemotherapie oder Strahlentherapie sowie in der palliativmedizinischen Versorgung hilfreich sein. Auch auf die Lebensqualität könnte sich Meditation positiv auswirken. Eine bestimmte Form der Meditation – die achtsamkeitsbasierte Atemtechnik – kann eventuell akuten Stress reduzieren.

Achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (MBSR) 

Die achtsamkeitsbasierte Stressreduktion (engl. Mindfulness-based Stress Reduction = MBSR) ist ein Programm zur Stressbewältigung und Stressreduktion. Es basiert auf dem Prinzip der Achtsamkeit. Dabei lenken Sie Ihren Blick auf das Hier und Jetzt – nicht auf die Vergangenheit. Sie nehmen keine Bewertungen vor und akzeptieren das, was ist.  Verschiedene Übungen helfen Ihnen, die Wahrnehmung für den Augenblick zu schärfen, die Aufmerksamkeit zu schulen und so zur Entspannung zu kommen. 

Menschen mit einer Krebserkrankung kann MBSR während und/oder nach einer adjuvanten Krebstherapie (Behandlungen nach der Operation) bei folgenden Problemen helfen:

  • Angst und Ängstlichkeit
  • Depressivität (während und nach der Therapie)
  • Ein- und Durchschlafstörungen
  • Fatigue
  • Kognitive Beeinträchtigungen (subjektiv und objektiv) - Störungen z.B. des Denkens, der Wahrnehmung, der Merkfähigkeit und Aufmerksamkeit)
  • Lebensqualität – allgemein und durch den Tumor bedingt
  • Stress(wahrnehmung)

 

Mistel

Präparate mit Mistel sollen das Immunsystem stimulieren und die Ausschüttung von Glückshormonen anregen, sogenannte Endorphine. Dadurch sollen sich das allgemeine Wohlbefinden und die Lebensqualität verbessern. Mistel kann bei Menschen mit soliden Tumoren (nicht Lymphome oder Leukämien) eingesetzt werden, um  die Lebensqualität zu verbessern (Mistelgesamtextrakt Viscum album L.)

Tai Chi und Qigong

Tai Chi und Qigong sind sanfte Bewegungsarten, die mit langsamen, fließenden Bewegungen und beruhigenden Atemtechniken arbeiten. 

  • Tai Chi und Qigong sollten bei Menschen mit einer Krebserkrankung während und nach dem Abschluss der Chemo- oder Strahlentherapie um Einsatz kommen bei Fatigue sowie Ein- und Durchschlafstörungen. 
  • Bei Depressivität oder einer verminderten Lebensqualität können Tai Chi und Qigong eingesetzt werden.

 

Yoga

Yoga besitzt viele positive Wirkungen auf den Körper, Geist und die Seele. Es gibt verschiedene Arten von Yoga, die körperlich unterschiedlich anspruchsvoll sind. Viele Menschen praktizieren das Hatha-Yoga. Krebskranke sollten Yoga bei einer Fatigue während oder nach einer adjuvanten Chemotherapie oder Bestrahlung praktizieren. Es gibt inzwischen Yoga-Studios, die speziell auf Menschen mit einer Krebserkrankung ausgerichtet sind. 

Yoga bei Krebs

Lesen Sie, wie Männer mit Prostatakrebs profitieren können - die besten Übungen im Video!

Prostata Hilfe Deutschland: Mann steht am Strand und macht Yoga
© YogawithAmit/Pixabay.com

Zink

Zink ist ein wichtiges Mineral, das der Körper für verschiedene Prozesse und Vorgänge braucht. Wichtig ist Zink zum Beispiel für das Immunsystem, die Wundheilung oder den Aufbau von Eiweißen und Erbmaterial (DNA). Menschen mit Krebs, die aufgrund einer Strahlentherapie an einer Mundschleimhautentzündung (Mukositis) leiden,  kann Zink helfen. Den Mineralstoff gibt es in Form von Nahrungsergänzungsmitteln (Supplemente). 

Komplementärmedizin - nicht empfohlene Methoden

Daneben haben die Leitlinienautoren noch eine Liste mit Negativ-Empfehlungen erstellt. Für die Wirksamkeit mancher komplementär- und alternativmedizinischer Methoden gibt es (noch) keinen ausreichenden wissenschaftlichen Beweis. Manche könnten auch mehr schaden als nutzen. Lesen Sie ausgewählte Beispiele komplementärmedizinischer Methoden, die sich für Menschen mit einer Krebserkrankung eher nicht eignen.

Soll nicht:

  • Aloe vera als Cremes, Gels oder Lotionen, um einer Hautentzündung durch die Strahlentherapie vorzubeugen
  • Carnitin, wenn die peripheren Nerven aufgrund einer Chemotherapie mit Taxanen geschädigt sind (periphere Polyneuropathie)
  • Vitamin C – zur Verminderung der mit einer Chemotherapie verbundenen Toxizität
  • Vitamin E bei einer Fehlfunktion der peripheren Nerven durch eine Chemotherapie oder einer Schädigung des Gehörs und Gleichgewichtsorgans durch Cisplatin.
  • Zink zur Prävention und Therapie einer durch die Chemotherapie bedingten Mukositis

 

Sollte nicht:

  • Bioenergiefeld-Therapien (Reiki, Handauflegen) bei Angst / Ängstlichkeit, Depressivität, Fatigue, verminderter Lebensqualität, Schmerz, Übelkeit
  • Guarana-Trockenextrakt bei verminderter Lebensqualität aufgrund einer Fatigue
  • Vitamin E bei einer Schleimhautentzündung (Mukositis), deren Auslöser eine Chemotherapie ist.

 

FAQs

Was ist eine komplementäre Krebstherapie?

Eine komplementäre Krebstherapie ist eine Ergänzung zu schulmedizinischen Krebsbehandlungen wie der Chemotherapie, Bestrahlung, gezielt wirkenden Medikamenten oder Immuntherapie. Die komplementäre Krebstherapie soll eine Unterstützung sein, aber kein Ersatz. Sie soll zum Beispiel Nebenwirkungen lindern oder das Wohlbefinden und die Lebensqualität verbessern.

Welche Vitamine sind nicht bei Krebs erlaubt?

Es gibt einige Vitamine, die bei Krebs nicht erlaubt beziehungsweise nicht empfohlen sind. Beispiele: Folsäure und Vitamin B6 sollten nicht bei Lungenkrebs im fortgeschrittenen Stadium während einer Chemotherapie zur Verbesserung der Lebensqualität eingesetzt werden, schreibt die Leitlinie Komplementärmedizin bei onkologischen Patient:innen. Vitamin E und Beta-Carotin (Vitamin A) sollten nicht bei Menschen mit Kopf-Hals-Tumoren angewendet werden. Und Vitamin E soll nicht bei Frauen mit Brustkrebs gegen Wechseljahresbeschwerden eingesetzt werden.

Kann man Krebszellen aushungern lassen?

Die Theorie, dass man Krebszellen aushungern lassen kann, ist wissenschaftlich nicht belegt. Richtig ist, dass Krebszellen viel Energie verbrauchen, um sich teilen und vermehren zu können. Ihr Stoffwechsel ist erhöht. Der Entzug der Energie, zum Beispiel in Form einer ketogenen Diät mit verminderten Kohlenhydraten (Zucker), führt jedoch nicht dazu, dass Krebszellen absterben. 

Was ist der Unterschied zwischen Komplementärtherapien und Alternativtherapien?

Komplementärtherapien sind ergänzende oder unterstützende Behandlungen, die zum Beispiel bei Krebs helfen können. Alternativtherapien verstehen sich dagegen als Alternative oder Ersatz für schulmedizinische Behandlungen, zum Beispiel für eine Chemotherapie oder Strahlentherapie bei Krebs. Davon raten Onkologinnen und Onkologen jedoch ab. 

Quellen: