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Hormontherapie bei Prostatakrebs
11. Juni 2025 | von Ingrid MüllerAktualisiert und medizinisch geprüft am 11.6.2025 von Ingrid Müller, Chefredakteurin und Medizinjournalistin |
Eine Hormontherapie kann Männern mit fortgeschrittenem oder metastasiertem Prostatakrebs helfen. Lesen Sie die wichtigsten Infos zu antihormonellen Medikamenten sowie zu Wirkungen und Nebenwirkungen der Hormonbehandlung.
Kurzübersicht
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Was ist eine Hormontherapie?
Die Hormontherapie ist eine sehr wichtige Behandlungsmöglichkeit bei Prostatakrebs, die oft in Kombination mit anderen Krebsbehandlungen eingesetzt wird. Sie kommt zunächst für Männer in Frage, deren Prostatakrebs schon fortgeschritten oder metastasiert ist. Der Tumor ist dann nicht mehr lokal auf die Prostata begrenzt, sondern hat schon in die Lymphknoten oder weiter entfernt liegende Organe gestreut, zum Beispiel in die Knochen. Das Prostatakarzinom hat Krebsabsiedelungen, Tochterschwulste oder Metastasen gebildet.
Lokale Behandlungen wie eine Operation oder Strahlentherapie, die vor Ort wirken, genügen in diesem Fall nicht mehr, um den Prostatakrebs zu bekämpfen. Vielmehr müssen Ärzte und Ärztinnen zusätzlich Therapien wählen, die im gesamten Körper (systemisch) wirken. Und dazu gehört auch die Hormontherapie. Sie heißt auch Antihormontherapie, Hormonentzugsbehandlung oder Androgendepriviationstherapie (ADT).
Die Hormontherapie kann zudem manchen Männern mit örtlich begrenztem Prostatakrebs als zusätzliche Behandlung zur Bestrahlung (Brachytherapie) helfen. Sie ist auch einsetzbar, wenn ein Mann eine Operation oder Strahlentherapie nicht möchte oder schwere Begleiterkrankungen mitbringt.
Wie funktioniert die Hormontherapie bei Prostatakrebs?
Das Prinzip der Hormontherapie ist es, dem Körper das männliche Geschlechtshormon Testosteron zu entziehen oder seine Wirkung an den Zellen abzuschwächen. Testosteron gehört zu den Androgenen. Bei vielen Männern wächst Prostatakrebs unter diesem Einfluss dieses Sexualhormons. Die Krebszellen brauchen Testosteron als "Treibstoff", um sich teilen und vermehren zu können. Die Hormontherapie kann den Prostatakrebs oft über Monate oder sogar Jahre aufhalten.
Ärztinnen und Ärzte setzen die Hormontherapie entweder als alleinige Therapie ein oder kombinieren sie mit anderen Krebsbehandlungen: der Operation, Bestrahlung und anderen Medikamenten, etwa einer Chemotherapie. Die Hormonbehandlung ist auch eine Möglichkeit, wenn noch keine Metastasen vorhanden sind, aber der Prostatakrebs örtlich (lokal) fortgeschritten ist. Manchmal kann Ihr allgemeiner Gesundheitszustand gegen eine Operation oder Bestrahlung sprechen.
Die Hormontherapie bei fortgeschrittenem Prostatakrebs ist eine palliative Behandlung. Im Gegensatz zur kurativen Behandlung zielt sie nicht auf die Heilung des Prostatakarzinoms ab. Vielmehr soll eine Palliativtherapie die Symptome lindern, die Krankheit aufhalten, das Überleben verlängern und die Lebensqualität verbessern oder erhalten. Diese Ziele lassen sich mit einer Hormontherapie oft gut zu erreichen.
Hormontherapie Bei einer Hormontherapie sollten Ärztinnen und Ärzte auch das Herz überwachen - besonders, wenn schon Risikofaktoren vorliegen. | ![]() |
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Welche Arten der Hormontherapien gibt es?
Prostatakrebszellen sind soweit verändert (mutiert), dass sie sich unkontrolliert teilen und vermehren können. Bei vielen Männern ist der Prostatakrebs hormonempfindlich. In diesem Fall brauchen die Prostatakrebszellen das männliche Sexualhormon Testosteron für ihr Wachstum. Unter dem Einfluss des Testosterons teilen und verbreiten sie sich immer weiter. Sie dringen in das umliegende Gewebe ein und können über die Blut- und Lymphwege weiter entfernte Organe und Gewebe erreichen. Metastasen bilden sich bei Prostatakrebs oft in den Knochen, aber auch der Leber oder Lunge.
Entziehen Ärztinnen und Ärzte den Tumorzellen das Sexualhormon Testosteron oder blockieren seine Wirkung, fehlt den Krebszellen schließlich der "Treibstoff" für ihr Wachstum. Dadurch lässt sich der Prostatakrebs oft aufhalten. Manchmal verkleinert sich der Tumor sogar wieder und der Prostatakrebs schreitet über Jahre nicht fort.
Prinzipiell haben Ärzte und Ärztinnen zwei Möglichkeiten, um gegen das Testosteron im Körper vorzugehen:
- Hormonentzugsbehandlung – die Medikamente unterdrücken die Produktion des Testosterons.
- Antiandrogene – die Medikamente schwächen die Wirkung des Testosterons an den Zellen ab, beeinflussen aber nicht den Testosteronspiegel im Blut.
Hormonentzug bei Prostatakrebs
Ein Hormonentzug sorgt dafür, dass der Körper das Testosteron erst gar nicht bildet. Dies kann auf zwei Wegen geschehen – durch eine Operation oder Medikamente. Operative oder medikamentöse Kastration sind die (wenig schönen) Fachbegriffe dafür.
- Operation
Vor allem die Hoden bilden das Testosteron. Früher entfernten Mediziner einfach einen Großteil des Hodengewebes operativ (Orchiektomie), um die Produktion des Geschlechtshormons zu stoppen. Diese operative Kastration führen Ärztinnen heute nur noch selten durch. Denn für die Männer eine solche OP enorm psychisch belastend. Außerdem ist sie mit einigen Nebenwirkungen verbunden. Der Eingriff lässt sich zudem nicht rückgängig machen. Es gibt inzwischen gute Alternativen zur operativen Kastration.
- Medikamente: LHRH-Analoga und LHRH-Antagonisten
Medikamente können dafür sorgen, dass die Hoden kein Testosteron mehr bilden. Es gibt verschiedene Arten von Arzneimitteln:
- LHRH-Analoga (= GnRH-Analoga): Diese Medikamente wirken auf die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) im Gehirn ein, welche die Produktion des Testosterons steuert. Häufig eingesetzte Wirkstoffe sind Buserelin, Goserelin, Leuprorelin und Triptorelin. Anfangs kurbeln LHRH-Analoga die Testosteronproduktion noch an, aber dann kommt sie allmählich zum Erliegen. Daher kombinieren Mediziner diese Medikamente in den ersten Wochen mit einem anderen Wirkstoff, der die Testosteronwirkung an der Krebszelle aufhebt. Antiandrogene heißen diese Medikamente (siehe Abschnitt weiter unten).
- LHRH-Antagonisten (= GnRH-Antagonisten): Sie wirken ähnlich wie LHRH-Analoga, unterdrücken aber Testosteronproduktion sofort. Beispiele für häufig eingesetzte Wirkstoffe sind Abarelix, Degarelix oder Relugolix.
LHRH-Analoga und LHRH-Antagonisten verabreichen Ärztinnen und Ärzte als Spritzen – je nach Präparat in Abständen von einem oder mehreren Monaten (dann als Depotsprize). Den Wirkstoff Relugolix gibt es in Form von Tabletten, was manche Männer als einfacher im Alltag anwendbar empfinden.
Die Behandlung entspricht einer Dauertherapie, die sie so lange weiterführen, bis sie Wirkung zeigt. Daneben gibt es die Möglichkeit, dass sich Therapiephasen mit Medikamenten und therapiefreie Intervalle abwechseln (intermittierende Therapie). Der Vorteil ist, dass die Nebenwirkungen des Hormonentzugs teilweise wieder zurückgehen.
Eine Hormonentzugstherapie ist mit einigen Nebenwirkungen verbunden. Das gilt sowohl für die operative als auch die medikamentöse Kastration. Denn das Testosteron steuert nicht nur das Wachstum von Prostatazellen, sondern ist noch an vielen anderen Prozessen im männlichen Körper beteiligt. Die Nebenwirkungen können den Wechseljahresbeschwerden bei Frauen ähneln.
Beispiele sind:
- Hitzewallungen
- Antriebsschwäche
- Depressive Stimmung
- Verlust der Libido
- Erektionsstörungen
- Abnahme der Knochendichte (Osteopenie) bis hin zum Knochenschwund (Osteoporose)
- Verlust von Muskelmasse
- Gewichtszunahme
- Brustschmerzen und Brustvergrößerung
Ob diese Nebenwirkungen auftreten und wie stark sie ausfallen, ist individuell verschieden. Dem Risiko einer Osteoporose und dem Muskelabbau können Sie zum Beispiel durch Sport entgegenwirken. Einige andere Nebenwirkungen lassen sich wiederum mit Medikamenten behandeln (supportive Therapien). Sprechen Sie immer mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin darüber.
Antiandrogene gegen Prostatakrebs
Im Gegensatz zum Hormonentzug unterbinden Antiandrogene die Testosteronproduktion nicht. Vielmehr blockieren diese Medikamente die Wirkung des männlichen Geschlechtshormons an den Prostatakrebszellen. Sie heißen auch Androgenrezeptorblocker. Antiandrogene haben zwar weniger Nebenwirkungen als die Hormonentzugstherapie, wirken jedoch auch schwächer. Antiandrogene der ersten Generation sind zum Beispiel die Wirkstoffe Bicalutamid, Flutamid und Nilutamid. Es gibt sie in Form von Tabletten.
Inzwischen sind jedoch neuere Antiandrogene der zweiten Generation auf dem Markt. Die am häufigsten eingesetzten Wirkstoffe sind Enzalutamid, Apalutamid und Darolutamid. Sie verhindern ebenfalls, dass sich das Testosteron an eine bestimmte Andockstelle (Androgenrezeptor) bindet und dann seine Wirkung entfaltet. Allerdings haben sie noch einen zweiten Effekt: Sie verhindern zusätzlich, dass die Wachstumssignale im Zellinneren weitergeleitet werden. Diese Antiandrogene der zweiten Generation wurden erst in den letzten Jahren für verschiedene Stadien des fortgeschrittenen Prostatakrebses zugelassen.
Einige Anwendungsbeispiele:
- Enzalutamid – für Männer mit metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakrebs (wächst auch ohne Testosteron weiter)
- Enzalutamid, Apalutamid und Darolutamid in Kombination mit einer Hormonentzugstherapie – für Männer mit nicht-metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom, die ein erhöhtes Risiko für die Bildung von Metastasen haben.
- Enzalutamid und Apalutamid in Kombination mit einem Hormonentzug waren in Studien auch bei metastasierte Prostatakrebs gut wirksam, wenn dieser noch nicht kastrationsresistent war.
Antiandrogene der ersten Generation haben vergleichsweise wenige Nebenwirkungen. Typisch ist jedoch, dass die Brustdrüsen schmerzhaft anschwellen (Gynäkomastie). Nebenwirkungen von Antiandrogenen der zweiten Generation können sein:
- Müdigkeit
- Hitzewallungen
- Bluthochdruck
- Hautausschlag
- Durchfall
Neue Antiandrogene Antiandrogene der zweiten Generation erhöhen das Risiko für Stürze, Fatigue und kognitive Probleme, ergab eine Studie. | ![]() |
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Wenn die Hormontherapie nicht mehr wirkt
Bekannt ist, dass die Hormontherapie irgendwann ihre Wirkung verliert. Krebszellen entwickeln im Lauf der Behandlung verschiedene Wege, um den Testosteronmangel zu umgehen und sich auch ohne das Hormon teilen und vermehren zu können. Dann wird der Prostatakrebs kastrationsresistent. Schon geringste Mengen an Testosteron genügen den Krebszellen für ihr Wachstum.
Wie schnell sich ein kastrationsresistenter Prostatakrebs entwickelt, ist individuell verschieden und lässt sich nicht genau vorhersagen. Es hängt unter anderem davon ab, wie aggressiv und schnellwachsend der Prostatakrebs ist. Im Schnitt sind Prostatakarzinome nach 1,5 bis 2,5 Jahren kastrationsresistent. Dann gibt es verschiedene Medikamente, um den Tumor aufzuhalten.
Abirateron
Eine Therapiemöglichkeit ist es, die Bildung des Testosterons auch außerhalb der Hoden zu unterbinden. Der Wirkstoff Abirateron greift in den hormonellen Regelkreis ein und stoppt die Testosteronproduktion sowohl in den Hoden als auch in den Nebennieren und im Krebsgewebe. Ärztinnen und Ärzte führen die ursprüngliche Hormontherapie aber weiter fort. Abirateron ist in Form von Tabletten erhältlich und kommt unter anderem in diesen Fällen zum Einsatz:
- Bei metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakrebs, wenn noch keine oder nur milde Symptome vorhanden sind.
- Nach einer ersten Chemotherapie, beispielsweise mit Docetaxel. Dieses ist ein Zellgift (Zytostatikum), das Ärztinnen und Ärzte im Rahmen einer Chemotherapie verabreichen.
- Bei Männern mit neu diagnostiziertem Hochrisiko-mHSPC (metastasiertem hormonsensitivem Prostatakarzinom) – in Kombination mit einer Hormonentzugstherapie
Abirateron kann einige Nebenwirkungen verursachen, zum Beispiel:
- Wassereinlagerungen (Ödeme)
- Kaliummangel
- Bluthochdruck
Diese Effekte lassen sich durch die gleichzeitige Anwendung von Kortison (Prednison, Prednisolon) vermindern.
- Olaparib
Der Wirkstoff Olaparib ist seit November 2020 für Männer mit metastasiertem, kastrationsresistenten Prostatakrebs zugelassen, die eine Veränderung (Mutation) im BRCA1 oder BRCA2-Gen haben. Diese Gene sind eigentlich Brustkrebsgene. Sie können aber auch mit Prostatakrebs in Verbindung stehen. Männer mit einer BRCA-Mutation erkranken meist schon in jungen Jahren an Prostatakrebs. Olaparib kommt zum Einsatz, wenn der Prostatakrebs mittels Hormonblockade behandelt wird und er trotz dieser Therapie weiter wächst.
Olaparib zählt zur Gruppe der PARP-Hemmer und ist eine zielgerichtete Therapie (engl. targeted therapy). Der Wirkstoff hemmt bestimmte Eiweiße, sogenannte PARP-Enzyme. Diese Enzyme spielen bei der Reparatur von beschädigtem Erbgut (DNA) in den Krebszellen eine wichtige Rolle. Können die Enzyme nicht mehr richtig arbeiten, gelingt auch die Zellreparatur nicht mehr – die Tumorzellen sterben ab.
Die wichtigsten Nebenwirkungen sind:
- Übelkeit und Erbrechen
- Erschöpfung
- Blutarmut
- Veränderungen des Blutbildes
- Durchfall
- Appetitlosigkeit
- Kopfschmerzen
- Geschmacksstörungen
- Husten
- Kurzatmigkeit
- Schwindel
- Sodbrennen
Oft lässt sich durch diese Krebsbehandlungen eine gute Lebensqualität erzielen und viele Männer können ihren Alltag weiterhin gut leben.
Quellen:
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