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Prostatakrebs - Operationsroboter als Assistent

15. Februar 2019 | von Ingrid Müller

Ärzte operieren Prostatakrebs oft mit Hilfe eines Roboters. Lesen Sie, wie der Operationsroboter funktioniert und welche Vor- und Nachteile er hat.

Ein Roboter im Operationssaal klingt für viele Patienten nach Science-Fiction, ist es aber nicht. Denn die schlauen Op-Helfer sind seit vielen Jahren Alltag in deutschen Kliniken. Die intelligenten Op-Assistenten operieren jedoch keineswegs auf eigene Faust, wie viele befürchten. Vielmehr helfen sie den Ärzten bei ihrer Präzisionsarbeit – auch bei der Operation von Prostatakrebs. Doch diese radikale Prostatektomie ist selbst für geschickte und erfahrene Chirurgen eine knifflige Angelegenheit. Sie entfernen bei dieser Op die Prostata mit samt der Samenblasen. Und dabei können sie Nerven und Gefäße verletzen, die durch die Vorsteherdrüse verlaufen. Inkontinenz und Erektile Dysfunktion sind die häufigsten Folgen, unter denen Männer danach zu leiden haben.

Ein Problem ist, dass sich die Prostata einen Platz ausgesucht hat, an den schwer heranzukommen ist und an dem zusätzlich Platzmangel herrscht. „Ob bei einer Operation oder Bestrahlung – die Prostata ist nicht so einfach zu erreichen“, sagt Dr. Frank Schiefelbein, Urologe an der Missioklinik auf dem Prostatainfotag in Würzburg. Dabei ist die Op die wichtigste Behandlung bei Männern, deren Tumor noch auf die Prostata beschränkt ist. Sie haben so die Chance, ihren Prostatakrebs wieder ganz loszuwerden.

 

Roboter operieren nicht selbstständig

Deswegen bitten heute immer mehr Ärzte in Deutschland einen Roboter bei dieser Operation zur Hilfe. „Unser Ziel ist es, sowohl die Krebsfreiheit zu erreichen als auch die Kontinenz und Potenz zu erhalten“, erklärt Prostatakrebsspezialist Schiefelbein. Doch vielen Männern ist die Vorstellung nicht ganz geheuer, dass ein Roboter Hand an sie legt. Aber: Der mechanische Helfer operiert den Mann nicht selbst, sondern unterstützt den Arzt nur bei dem komplizierten Eingriff. Er ist also eine Art „verlängerter Arm“ des Chirurgen, der so zu besseren Operationsergebnissen beiträgt.

Was passiert im Op-Gebiet? Präzise und vergrößerte Bilder aus dem Inneren © Ingrid Müller

Und dieser Roboter absolviert immer mehr Einsätze. „Die Zahl der robotergestützten Operationen steigt insgesamt“, sagt Schiefelbein. Schon heute stünden mehr als 130 solcher Geräte in deutschen Kliniken. Sie werden jedoch nicht nur bei Prostata-Operationen eingesetzt, sondern assistieren zum Beispiel auch Herz- oder Darmchirurgen. Die erste roboterassistierte Prostata-Operation wurde in Deutschland im Jahr 2001 durchgeführt.

 

Operieren mit Roboter – der Arzt als Steuermann

Der Roboter als rechte Hand des Chirurgen bietet einige Vorzüge für den Arzt, die seine Arbeit erleichtern. Im Prinzip besteht der Operationsroboter aus zwei Einheiten:

 

Steuerkonsole

Steuereinheit für die Instrumente: Viel Fingerspitzengefühl ist dabei gefragt © Ingrid Müller

Die Steuerkonsole besitzt zwei Griffeinrichtungen für die rechte und linke Hand, die der Operateur bedient. Diese „übersetzen“ seine Bewegungen der Finger und Handgelenke und wandeln sie in elektronische Steuersignale um. Zudem ist in die Konsole ein besonderes Sichtfenster integriert. So hat der Arzt eine dreidimensionale Sicht auf das, was er tut – und zwar in einer bis zu 15-fachen Vergrößerung.

 

Stativ und Roboterarme

Patient auf dem Op-Tisch: Feinste Instrumente ahmen die Bewegungen des Arztes nach © Ingrid Müller

 

Der Patient liegt unter einem Stativ mit den „Roboterarmen“.  Ein Arm in der Mitte besitzt eine Kamera. Drei Arme sind dagegen mit Instrumenten und Doppelgelenken ausgerüstet, die sich in alle Richtungen bewegen lassen. Sie simulieren die Bewegungen der menschlichen Hand. Die Arme erhalten die Signale der ärztlichen Handbewegungen, verfeinern sie noch und passen sie den feinsten Strukturen des Körpers an. Der Operateur kann also ruhig und ohne Zittern arbeiten. Die Arme bewegen die Instrumente im Operationsgebiet auf die genau gleiche Weise wie der Operateur. Sie selbst können übrigens keine Bewegungen ausführen – und damit auch nicht selbstständig operieren.

Ärzte müssen jedoch viele Trainingseinheiten absolvieren und benötigen einige Übung, um den Roboter richtig bedienen zu können. Und Geschick sowie viel Fingerspitzengefühl müssen sie ebenfalls mitbringen. Ein Grobmotoriker sollte ein Chirurg ohnehin besser nicht sein. Im Gegensatz zu den ersten Robotern haben die Hersteller die Geräte heute aufgerüstet: Sie haben ihnen kleinere, feinere und längere Arme verpasst. Damit können Ärzte die Prostata heute noch filigraner und präziser operieren.

 

Hightech im Op – Operationsfäden aus der Bionik

Auch bei andern OP-Helfern hat sich in Zeiten der Roboter einiges getan, nämlich bei den Fäden zum Vernähen der Wunden. „Wir verwenden Fäden mit feinsten Widerhaken. Sie sitzen sofort, wenn wir kurz daran ziehen. Aus der Bionik – also der Natur – haben wir uns diese Technologie abgeschaut“, sagt Schiefelbein. So gelinge die Operation exakter, schneller und mit einem deutlich geringeren Blutverlust. Ungefähr 90 Prozent der Männer brauchen keinen Blasenkatheter nach der Op. „Das ist doch eine fantastische Sache für die Patienten, denn ein Katheter ist äußerst unangenehm“, betont der Würzburger Urologe.

Männer profitieren jedenfalls in vielerlei Hinsicht von einer Roboter-Op, weil sie:

  • weniger Blut verlieren
  • weniger Schmerzen haben
  • sich schneller erholen und
  • die Klinik früher wieder verlassen können

 

Operationsroboter: „Die Erfahrung des Arztes zählt“

Für die Ärzte und die Kliniken und hat der Roboter jedoch einige Haken: „Das Gerät ist für die Kliniken in der Anschaffung sehr teuer“, weiß Schiefelbein. Bis zu zwei Millionen Euro kostet die neue Operationshilfe. Auch die laufenden Kosten sind für die Kliniken nicht unerheblich. So müssen sie die Mehrweginstrumente nach eine bestimmten Anzahl an Operation ersetzen und neue kaufen. In Zeiten, in denen viele Krankenhäuser unter enormem Sparzwang stehen, ist dies kein unwesentliches Argument.

Und auch der Zeitfaktor spielt mit. Operateure müssen viel trainieren und üben, bevor sie das erste Mal Hand an einen Patienten anlegen dürfen. Zudem dauern die Planung und die Operation selbst länger und auch die Sterilisation der Instrumente nimmt mehr Zeit in Anspruch als normalerweise. Trotz dieser Nachteile ist Schiefelbein überzeugt: „In Zukunft wird die robotische Medizin eine noch viele größere Rolle spielen“. Und Männer, die einen Roboter im OP womöglich angsteinflößend finden, beruhigt der Urologe so: „Entscheidend ist nicht die Technik, sondern der Operateur – die Erfahrung zählt.“