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Fatigue bei Krebs - Ursachen, Symptome, Behandlungen

01. März 2022 | von Ingrid Müller
Aktualisiert und medizinisch geprüft am 1.3.2022
Ingrid Müller, Chefredakteurin und Medizinjournalistin

Fatigue kommt bei Menschen mit Krebs sehr häufig vor. Sie fühlen sich müde, antriebslos und erschöpft - körperlich, seelisch und geistig. Lesen Sie, wie sich die chronische Erschöpfung behandeln und wieder vertreiben lässt.

Kurzübersicht

  • Was ist Fatigue? Nicht einfach nur Müdigkeit, sondern eine Erschöpfung, die den Körper, die Seele und den Geist erfasst
  • Häufigkeit: Bis zu 90 Prozent aller Krebskranken haben zumindest zeitweise mit der Fatigue zu tun
  • Welche Symptome? z.B. Müdigkeit, Antriebslosigkeit, Leistungsschwäche, geringe Belastbarkeit, Verlust der Motivitat, großes Schlafbedürfnis
  • Ursachen: z.B. Krebserkrankung, Krebstherapien (z.B. Op, Chemotherapie, Bestrahlung)
  • Behandlung: Medikamente (z.B. bei Blutarmut), körperliches Training, Verhaltentherapie/Psychotherapie, Alltagsstrategien entwickeln
  • Tipps bei Fatigue: darüber reden, sich nicht über- oder unterfordern, nach vorne blicken, “Energiequellen” suchen
  • Fatigue-Sprechstunde: Kostenlose Diagnostik, Beratung und Hilfe bei der Bayerischen Krebsgesellschaft e.V.

Was ist Fatigue? Beschreibung

Die Fatigue hat mit einer normalen Müdigkeit, die wohl alle Menschen nach körperlichen, psychischen und geistigen Anstrengungen erfasst, nichts zu tun. Es gibt verschiedene Faktoren, die den Körper und Geist ermüden lassen. Wohl jeder kennt sie, zum Beispiel Stress, lange Reisen, ausufernde Meetings oder intensiver Sport. Nach einer Erholungsphase sind die meisten jedoch wieder fit und können mit neuer Tatkraft in ihrem Alltag loslegen.

Nicht so bei der Fatigue. Typisch für diese ist nämlich, dass auch regelmäßige Ruhepausen und ausreichender Schlaf die Erschöpfung nicht vertreiben können. Die Antrieblosigkeit, Lustlosigkeit, Mattigkeit und Müdigkeit werden zum täglichen Begleiter. Sie stehen in keinem Verhältnis zu den vorausgegangen Aktivitäten. Der Grad der Erschöpfung ist aber individuell sehr verschieden. Auch ist sie nicht an jedem Tag gleich intensiv ausgeprägt – es gibt gute und schlechte Tage.

Die Fatigue erfasst sowohl den Körper als auch den Geist und die Seele. Den Zustand der Fatigue beschreiben viele Menschen mit Krebs so: Sie fühlen sich antriebslos, energielos, ausgelaugt, erschöpft und verspüren eine lähmende, bleierne Müdigkeit. Der Begriff „Fatigue“ kommt aus dem Französischen und bedeutet übersetzt so viel wie: „Müdigkeit“ oder „Erschöpfung“. Andere Namen dafür sind Fatigue-Syndrom, chronisches Erschöpfungssyndrom oder - weil sie im Zusammenhang mit der Krebserkrankung steht - tumorbedingte Fatigue.

Fatigue: Häufigkeit bei Krebs

Eine Fatigue erleben viele Krebskranke: Bis zu 90 Prozent leiden zumindest zeitweise unter einer lähmenden Erschöpfung. Sie beeinträchtigt den Alltag, das Wohlgefühl und die Lebensfreude meist enorm. Umfragen brachten ans Licht, dass Menschen mit Krebs diese Müdigkeit als das Symptom empfinden, das sie am meisten belastet. Die gute Nachricht ist, dass dieser Zustand der chronischen Erschöpfung bei vielen Betroffenen wieder nachlässt. Allerdings haben 20 bis 50 Prozent der Krebskranken noch Monate oder sogar Jahre später mit der bleiernen Schwere zu kämpfen.

Fatigue und Beruf

Die Fatigue ist der größte Hinderungsfaktor für Krebspatienten bei der Rückkehr in ihren Job.

Welche Symptome treten bei einer Fatigue auf?

Das Erschöpfungssyndrom besitzt viele verschiedene Facetten. Häufige Symptome, von denen Patienten mit Fatigue berichten, sind:

  • Müdigkeit, Energielosigkeit oder ein unverhältnismäßig großes Bedürfnis nach Ruhe
  • Allgemeine Schwäche, Mattigkeit, Abgeschlagenheit, schwere Glieder; viele fühlen sich schon morgens nach dem Aufstehen wie „erschlagen“
  • mangelnde körperliche Belastbarkeit
  • Motivationsverlust (auch bei Alltagsaktivitäten), Lustlosigkeit, Antriebslosigkeit, Desinteresse: Schon alltägliche Dinge wie das Einkaufen, Kochen oder Putzen sind schwer zu bewältigen
  • Extremes Schlafbedürfnis, Schlafstörungen, der Schlaf bringt kaum Erholung
  • Ängste, Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Verlust der Lebensfreude
  • Frustration, Reizbarkeit
  • Psychische Erschöpfung
  • Störungen von Konzentration, Aufmerksamkeit und Gedächtnis: Das Zuhören, die Kommunikation oder Abspeichern der einfachsten Dinge im Gedächtnis fallen schwer
  • Soziale Entfremdung von der Familie, Freunden udn Freundinnen

 

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Fatigue: Ursachen sind vielfältig

Damit eine Fatigue entsteht, müssen mehrere Faktoren zusammenspielen – nämlich körperliche, seelische und soziale Faktoren. „Die eine“ Ursache für die chronische Erschöpfung gibt es nicht. Bei Krebspatienten kann einerseits die Tumorerkrankung selbst der Grund sein. Aber auch die Krebsbehandlungen und die gewaltige psychische Belastung durch die Krebsdiagnose können die Wurzel der Fatigue sein.

-Fatigue durch die Krebserkrankung

Manchmal ist die enorme Müdigkeit sogar ein erster Hinweis auf eine Krebserkrankung. Denn Tumorzellen wachsen schnell und verbrauchen mehr Energie als gesunde Zellen. Zugleich versucht das körpereigene Immunsystem, die Krebszellen zu bekämpfen. In der Folge bildet der Stoffwechsel Substanzen, welche die normalen Abläufe und Prozesse stören. Diese Belastungen lösen schließlich die Erschöpfung und bleierne Müdigkeit aus, so die Theorie.

-Fatigue durch die Krebstherapien

Gegen Krebs setzen Ärzte oft eine ChemotherapieBestrahlung und weitere Krebshandlungen ein. Sie können ebenfalls der Grund für die Fatigue sein. 

Einige Beispiel für Therapien gegen Krebs, die eine Fatigue hervorrufen können:

  • Operation: Ein chirurgischer Eingriff belastet den Körper und die Seele oft enorm. Blutverlust, Narkose, Veränderungen im Stoffwechsel oder die Prozesse der Wundheilung sorgen für Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Die meisten erholen sich aber wieder vollständig.
  • Chemotherapie: Dabei kommen starke Zellgifte (Zytostatika) zum Einsatz, welche die Vermehrung der Krebszellen stoppen und sie absterben lassen. Die Medikamente greifen aber nicht nur Tumorzellen, sondern auch gesunde Zellen an, die sich schnell teilen (deshalb auch der Haarausfall!). Für den Körper ist die Chemotherapie eine enorme Belastung, die sich in einer Fatigue äußern kann. Manche Zellgifte richten sich gegen Nervenzellen und beeinträchtigen die Aufmerksamkeit, Konzentration und das Gedächtnis. „Chemobrain“ – also „Chemienebel im Kopf“ – heißt das Phänomen umgangssprachlich. Allerdings wissen Forscher heute, dass auch die psychische und seelische Ausnahmesituation, die eine Krebsdiagnose bedeutet, bei der Entwicklung des Chemobrains mitspielt.
  • Strahlentherapie (Radiotherapie): Die hochenergetischen Strahlen setzen nicht nur verbliebenen Krebszellen zu, sondern auch dem Körper. Meist steigert sich die Fatigue im Zeitraum der Bestrahlung und klingt danach wieder ab. Die Kombination aus Chemotherapie und Bestrahlung kann die Fatigue besonders schwer ausfallen lassen.
  • Hormontherapie, die mit einem Hormonmangel (Geschlechtshormone) verbunden ist

 

Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 90 Prozent der Patienten bei einer Chemotherapie und Bestrahlung unter erheblicher Erschöpfung leiden. Normalerweise bessert sie sich wieder, wenn die Behandlungen abgeschlossen sind. Aber bei manchen Krebspatienten hält die Erschöpfung aber noch Jahre später an.

-Weitere Ursachen der Fatigue bei Krebs

Der Grund für die Fatigue kann noch in anderen Begleiterkrankungen oder weiteren Behandlungen liegen. 

Beispiele sind:

  • Blutarmut (Anämie): Die Zahl der roten Blutkörperchen, die den Sauerstoff im Körper transportieren, sinkt. Viele Krebspatienten leiden unter einer Anämie, bedingt durch die Therapien. Die Folgen des Sauerstoffmangels sind Müdigkeit, Abgeschlagenheit und Energielosigkeit.
  • Psychische Folgen der Krebserkrankung: Sie belastet nicht nur den Körper, sondern auch die Seele; so sind depressive Verstimmungen, Ängste, Traurigkeit oder Hoffnungslosigkeit die Folgen.
  • Infektionen: Krebsbehandlungen schwächen auch die Abwehrkräfte; Bakterien, Viren oder Pilze haben somit leichteres Spiel.
  • Schmerzen, etwa aufgrund von Metastasen
  • Nebenwirkungen von Medikamenten: Viele Arzneien für Krebspatienten haben Müdigkeit und Abgeschlagenheit zu Folge. Beispiele sind Schmerzmittel oder der Entzündungshemmer Kortison.
  • Schlafstörungen - viele Krebskranke leiden darunter
  • Mangelernährung und Gewichtsverlust: Krebstherapien sind oft mit Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen verknüpft. Ist der Körper jedoch nicht ausreichend mit Vitaminen, Mineralien, Spurenelementen und anderen Nährstoffen (Kohlenhydrate, Fette, Eiweiße) versorgt, drohen Müdigkeit und Leistungseinbußen.
  • Mangel an körperlichem Training  und Muskelabbau

 

Fatigue behandeln – alle Therapien

So vielfältig die Ursachen der Fatigue sind, so unterschiedlich sind auch die Behandlungsmöglichkeiten. Eine Therapie gegen die Fatigue, die allen Krebspatienten gleichermaßen hilft, gibt es nicht. Finden Sie gemeinsam mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin heraus, was Ihnen gut tut. Folgende Strategien, die den Körper, Geist und die Seele stärken sollen, kommen bei der  Behandlung der Fatigue zum Einsatz:

  • Medikamente, etwa wenn eine Anämie als Ursache der Fatigue anhand eines Blutbildes nachgewiesen ist. Ärzte und Ärztinnen setzen zum Beispiel Erythropoietin ein, das die Blutbildung anregt.
  • Bewegung und Sport: Ein gezieltes Bewegungstraining unter medizinischer Anleitung, das individuell auf Sie abgestimmt ist, erhöht Ihre Leistungsfähigkeit und Ausdauer. Beginnen Sie frühzeitig mit der körperlichen Aktivität – schon während der Chemotherapie oder Bestrahlung. Gut sind zum Beispiel ein maßvolles Ausdauer- und Krafttraining. Sport ist nicht nur gut für den Körper, sondern hellt auch die Stimmung und das Gemüt auf. Und dies verbessert wiederum die Lebensqualität.
  • Psychotherapie/Verhaltenstherapie: Sie zielt darauf ab, das Erleben und Verhalten bei Fatigue günstig zu beeinflussen. Sie lernen dadurch, die Fatigue besser zu bewältigen. Suchen Sie einen Therapeuten oder eine Therapeutin, die Erfahrung mit der Fatigue bei Krebs hat.
  • Alltagsstrategien entwickeln: Lassen Sie sich von Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin beraten, wie Sie Ihren Alltag so strukturieren und gestalten können, dass die Einschränkungen aufgrund der Fatigue weniger ins Gewicht fallen. Das funktioniert nur, wenn Sie sich nicht ständig überfordern und zu viel von sich verlangen – sonst stoßen Sie mit der Nase ständig auf Ihre mangelnde Leistungsfähigkeit.

 

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Fatigue – Tipps für den Alltag

Folgende Tipps können bei Fatigue hilfreich sein. Vielleicht müssen Sie mehrere ausprobieren oder miteinander kombinieren, um Ihrer Müdigkeit beizukommen

  • Reden! Teilen Sie Ihrer Familie und Freunden mit, wie sich eine Fatigue anfühlt. So erreichen Sie ein besseres Verständnis und können auf Unterstützung im Alltag bauen!
  • Nicht über- oder unterfordern: Wenn Sie sich an einem Tag besonders fit fühlen, schießen Sie dennoch nicht über das Ziel hinaus. Sonst sind Sie womöglich am nächsten Tag doppelt so müde. Trauen Sie sich umgekehrt trotzdem etwas zu, wenn Sie sich ausgelaugt und müde fühlen. Bewegen Sie sich statt auf dem Sofa zu liegen und ihre Kräfte für den nächsten Tag aufzusparen. Am besten sind abwechslungsreiche Aktivitäten, die Ihrem Energieniveau entsprechen.
  • Alltagsaktivität langsam steigern: Schreiben Sie sich auf, was Sie tagsüber alles gemacht und unternommen haben. Geht es Ihnen am nächsten Tag gut, können Sie eine kleine Steigerung einlegen. Ist es anders herum, haben Sie sich zu viel zugemutet und Sie schrauben Ihre Aktivität wieder ein wenig zurück.
  • Nach vorne schauen: Denken Sie nicht ständig daran zurück, was Sie früher alles geschafft haben. Vergleichen Sie sich auch nicht mit Familienangehörigen, Freunden und Freundinnen, die leistungsfähiger sind als Sie. Das erzeugt Frust, Reizbarkeit und depressive Verstimmungen! Nehmen Sie sich nur kleine Schritte vor und freuen Sie sich über jeden kleinen Erfolg!
  • Energielieferanten suchen: Unternehmen Sie Dinge, die Ihnen wirklich Freude machen und Energie bringen. Machen Sie einen kleinen Ausflug, lesen Sie ein gutes Buch oder hören Sie Musik. Die Küchen zu schrubben oder den Keller aufzuräumen ist vermutlich eher ein Energieräuber.
  • Guter Schlaf: Lassen Sie frische Luft ins Zimmer und verbannen Sie PC, Smartphone,  Fernseher und andere Störenfriede aus dem Schlafraum. Außerdem: Gehen Sie möglichst jeden Tag zur gleichen Zeiten ins Bett und stehen Sie morgens wieder auf! So schlafen Sie insgesamt besser.
  • Stress weg! Versuchen Sie, Stress möglichst von sich fernzuhalten. Erlernen Sie eine Entspannungstechnik, etwa Autogenes Training oder Progressive Muskelentspannung.
  • Gesund essen: Achten Sie auf eine gesunde Ernährung mit viel frischem Obst und Gemüse. Sie enthalten große Mengen an Vitaminen, Mineralien, Ballaststoffen und sekundäre Pflanzenstoffe. Gut sind auch Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Fisch und pflanzliche Fette. Schlagen Sie sich nicht einmal am Tag den Bauch voll, sondern essen Sie kleinere Portionen, die Sie über den Tag verteilen. Dann hat der Verdauungstrakt weniger zu tun – und Sie sind weniger müde.

 

Fatigue-Sprechstunde

Die Bayerische Krebsgesellschaft e.V. bietet für Krebspatienten aus Bayern eine kostenlose Fatigue-Sprechstunde an. Sie wird von onkologisch und psychoonkologisch sehr erfahrenen Ärzten durchgeführt. Alle sind auf Tumor-Fatigue spezialisiert.

Quellen: