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Unfruchtbarkeit erhöht das Risiko für Prostatakrebs

07. Oktober 2019 | von Ingrid Müller

Unfruchtbarkeit bei Männern und die Wahl der künstlichen Befruchtung, um Vater zu werden, scheinen die Gefahr für Prostatakrebs klettern zu lassen. Zu diesem Schluss kommt eine schwedische Studie.

Unfruchtbarkeit und die Zeugung eines Kindes durch künstliche Befruchtung scheinen der Gesundheit Männern nicht gerade zuträglich zu sein: Sie haben offenbar ein deutlich höheres Risiko für Prostatakrebs als Männer, die auf natürlichem Weg Väter geworden sind. Und: Sie erkranken in jüngeren Jahren an bösartigen Tumoren in der Prostata. Zu diesem Schluss kam eine Studie schwedischer Forscher von der Lund University. Ihre Ergebnisse veröffentlichten Sie in der aktuellen Ausgabe des Fachblatts British Medical Journal (BMJ).

"Männer, die durch künstliche Befruchtung Väter werden, haben ein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs – besonders in jungen Jahren."

Prof. Yvonne Lundberg Giwercman

 

Unfruchtbarkeit, künstliche Befruchtung und Prostatakrebs – ein Zusammenhang?

Die Forscher hatten für ihre Langzeitstudie die Daten von rund 1,2 Millionen schwedischer Väter sowie deren Erstgeborenen aus den Nationalregistern ausgewertet. Der Beobachtungszeitraum umfasste bis zu 20 Jahre zwischen 1994 und 2014. Sie wollten herausfinden, ob und inwiefern Unfruchtbarkeit und die künstliche Befruchtung mit dem Risiko für Prostatakrebs zusammenhingen. Sie untersuchten drei Gruppen von Männern, die auf verschiedenen Wegen Väter geworden waren:

  • In-vitro-Fertilisation (IVF): Sie umfasst verschiedene Schritte – von der Hormonbehandlung der Frau über die Entnahme gereifter Eizellen bis zur künstlichen Befruchtung reifer Eizellen mit dem Sperma im Labor.
  • Intrazytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI): Diese Methode läuft ähnlich ab wie eine IVF, bietet jedoch auch Männern mit Fruchtbarkeitsstörungen die Möglichkeit, Väter zu werden. Bei einer ICSI injizieren Labormediziner eine einzelne Samenzelle (frisch oder kryokonserviert) mit einer sehr feinen Nadel direkt in eine Eizelle. Diese haben Ärzte zuvor aus dem Eierstock entnommen. Mittlerweile ist die ICSI die am häufigsten angewendete Methode der künstlichen Befruchtung.
  • Auf natürlichem Weg ohne künstliche Befruchtung im Reagenzglas

 

Von den 1,2 Millionen Vätern hatten sich mehr als 20.000 einer IVF (1,7 Prozent) und knapp 15.000 (1,3 Prozent) einer ICSI unterzogen. Alle anderen Männer (97 Prozent) hatten ihre Kinder auf normalem Weg ohne künstliche Befruchtung gezeugt.

Unfruchtbarkeit: Wenn Spermien den Weg zur Eizelle nicht von alleine finden…

 

Unfruchtbarkeit: Risiko für Prostatakrebs steigt nach künstlicher Befruchtung

Von den Männern, die auf natürlichem Weg Väter geworden waren, erhielten 3.244 (0,28 Prozent) die Diagnose Prostatakrebs. Im Vergleich dazu erkrankten 77 (0,37 Prozent) der Väter in der IVF-Gruppe und 63 (0,42 Prozent) in der ICSI-Gruppe an einem Prostatakarzinom. Diese Krankheitszahlen erhielten die Forscher aus dem Krebsregister.

Damit hatten Männer nach einer künstlichen Befruchtung ein 30 (IVF) bis 60 Prozent (ICSI) höheres Risiko, an Prostatakrebs zu erkranken als Väter, die ohne künstliche Befruchtung beim Nachwuchs ausgekommen waren. Zudem war bei den Männern mit künstlicher Befruchtung die Gefahr nahezu doppelt so hoch, in jüngerem Alter unter 55 Jahren an Prostatakrebs zu erkranken. „Männer, die sich wegen Unfruchtbarkeit und einer künstlichen Befruchtung in Behandlung begeben, haben ein höheres Risiko für Prostatakrebs als Männer, die auf natürlichem Weg Väter werden“, fasst Prof. Yvonne Lundberg Giwercman zusammen.

Unklar ist, wie genau die Unfruchtbarkeit, künstliche Befruchtung und die Entwicklung von Prostatakrebs zusammenhängen. Die Ursachen liegen noch weitgehend im Dunkeln. Eine Möglichkeit seien Veränderungen auf dem Y‑Chromosom, die sowohl mit der Unfruchtbarkeit als auch dem Prostatakrebs zusammenhingen, glauben die Forscher.

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Künstliche Befruchtung: Männer gehören zur Hochrisikogruppe für Prostatakrebs

Dennoch hat die Studie einige Schwachpunkte, wie die Forscher selbst einräumen. Es waren keine unfruchtbaren Männer eingeschlossen, denen es durch künstliche Befruchtung nicht gelungen war, Vater zu werden. Auch konnte die Forscher anhand der vorliegenden Daten keine Verbindung zu den PSA-Werten herstellen, weil diese nicht verfügbar waren. Und: Die Ergebnisse spiegeln nicht das Prostatakrebsrisiko über die gesamte Lebenszeit wider.

Lundberg Giwercman meint dennoch: „Männer, die durch künstliche Befruchtung Väter werden – vor allem dank ICSI – haben ein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs – besonders in jungen Jahren. Sie stellen eine Hochrisikogruppe dar, die von PSA-Tests und einer sorgfältigen Krebsfrüherkennung profitieren könnten.“ Die PSA-Tests seien für diese Männer genauso gerechtfertigt wie für jede andere Gruppe mit hohem Risiko, etwa bei einer genetischen Veranlagung für diese Krebsart.

 

Prostatakrebs-Screening bei männlicher Unfruchtbarkeit nicht sinnvoll

Allerdings sei ein allgemeines Prostatakrebs-Screening bei allen unfruchtbaren Männern schwierig, weil der Mechanismus und die Ursachen noch unbekannt seien, erklären die Forscher. Dabei unterziehen sich gesunde Männer regelmäßig einem PSA-Test. Das Screening auf Prostatakrebs birgt die Gefahr von Überdiagnosen und Übertherapien.

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In Zukunft wollen die Forscher Männer über einen längeren Zeitraum beobachten als dies in der Studie möglich gewesen war. Die ICSI gibt es erst seit etwa 1990. Auch andere Einflussfaktoren wie der sozio-ökonomische Status, der Lebensstil und die allgemeine Gesundheit der Männer, die sich einer künstlichen Befruchtung unterziehen, seien für zukünftige Untersuchungen interessant, so Lundberg Giwercman.

 

Unfruchtbarkeit und Prostatakrebs – Studien mit kontroversen Ergebnissen

Prostatakrebs und männliche Unfruchtbarkeit sind keine Seltenheit. Sie betreffen rund zehn beziehungsweise acht Prozent aller Männer in den westlichen Ländern. Schon frühere Studien hatten eine Verbindung vermuten lassen, weil sowohl am Prostatakrebs als auch an der Unfruchtbarkeit die männlichen Hormone (Androgene) beteiligt sind. Allerdings kamen die Studien zu kontroversen Ergebnissen: Eine US-Studie brachte eine verminderte Spermienqualität mit einem höheren Prostatakrebsrisiko in Verbindung. Vier andere Untersuchungen legten dagegen ein vermindertes Risiko für das Prostatakarzinom nahe, wenn Männer kinderlos blieben. Wieder andere fanden überhaupt keinen Zusammenhang zwischen Vaterschaft und Prostatakrebsrisiko.

Quellen