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Klinische Studien zu Prostatakrebs – was ist das?

24. November 2023 | von Ingrid Müller

Männer mit Prostatakrebs erhalten manchmal das Angebot, an einer klinischen Studie teilzunehmen.  Lesen Sie, was eine Studie ist, welche Studienarten es gibt und welche Vor- und Nachteile eine Studienteilnahme haben kann. 

Klinische Studien sind in der Krebsmedizin, aber auch bei der Erforschung vieler anderer Krankheitsbilder nicht wegzudenken. Forschungsteams überall auf der Welt tüfteln im Labor an neuen Medikamenten und Therapien, um Fortschritte in der Diagnostik und Behandlung einer Erkrankung zu erzielen. Auch an Therapien für Prostatakrebs wird viel in Studien geforscht. 

So kamen in den vergangenen Jahren für Männer mit Prostatakrebs einige neue Medikamente auf den Markt. Beispiele sind Lutetium (177Lu) Vipivotid-Tetraxetan (Radioligandentherapie) und der Wirkstoff Relugolix, die Männern mit fortgeschrittenem Prostatakrebs helfen können. Auch an der Immuntherapie bei Prostatakrebs wird viel geforscht. Diese neuen Medikamente, sogenannte Immun-Checkpoint-Hemmer, kommen heute schon bei mehreren anderen Krebsarten zum Einsatz, etwa bei Darmkrebs, Lungenkrebs oder Schwarzem Hautkrebs. Vielleicht können sie zukünftig auch bei einem Prostatakarzinom helfen 

NEWS zu Studien

Wir berichten regelmäßig aus den Forschungslabors überall auf der Welt - aktuelle  Studien zu neuen Therapien, Diagnosemethoden und dem Leben mit Prostatkrebs.

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Was sind klinische Studien?

Der Weg von der ersten Idee über anschließende Versuche im Labor bis hin zu einem zugelassenen Krebsmedikament, das bei Menschen mit einer Krebserkrankung wie dem Prostatakrebs anwendbar ist,  ist in der Regel sehr weit. Bis zum fertigen Arzneimittel kann es manchmal bis zu 20 Jahre dauern. 

Pharmaunternehmen und Hersteller müssen klinische Studien durchführen, bis ein Medikament eine Zulassung erhält, etwa in den USA durch die Food and Drug Administration (FDA) oder in Europa durch die Europäische Arzneimittelagentur EMA. In Deutschland sind das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) und das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für die Zulassung von Medikamenten und Medizinprodukten zuständig.

Im Zentrum von klinischen Studien stehen Aspekte wie der Wirkmechanismus, die Sicherheit, Dosierung, Verträglichkeit und Wirksamkeit eines neuen Arzneimittels. Neben neuen Medikamenten werden in Studien auch neue diagnostische Verfahren getestet. 

Für die Durchführung einer Studie gibt es strenge gesetzliche Vorschriften, die Forschungsteams weltweit beachten müssen. Außerdem müssen sie international vereinbarte ethische und wissenschaftliche Standards einhalten. Eine Ethik-Kommission muss  jede Studie erst genehmigen, bevor sie beginnen kann. Diese Kommission setzt sich aus verschiedenen Personengruppen zusammen, etwa aus der Medizin, Ethik, Rechtswissenschaften oder Theologie. Oft sind auch Patientenorganisationen und Selbsthilfegruppen daran beteiligt.  

Einige allgemeine Infos zu Studien:

  • Zwei Studien-Typen: Klinischen Studien lassen sich in interventionelle und nicht-interventionelle Studien unterteilen. Im ersten Fall wenden Forschungsteams eine aktive Form der Behandlung an, im zweiten Fall nicht. Ärztinnen und Ärzte greifen also hier nicht mit einer Therapie ein. 
  • Verschiedene Studien-Phasen: Es gibt in der Regel mehrere Phasen von Studien. Zunächst wird die Verträglichkeit und Wirkungsweise neuer Therapien erforscht, manchmal an gesunden Freiwilligen. Anschließend untersuchen Forschungsteams die Wirksamkeit der neuen Behandlung an Menschen mit der Erkrankung, gegen die das Medikament zukünftig helfen soll. Bei onkologischen Studien, in denen potenzielle Krebsmedikamente getestet werden, sind die Studienteilnehmer (Probanden) nicht gesund, sondern oft sehr krank. 

 

Interventionelle Studien - das steckt dahinter

Bei interventionellen Studien wenden Forscherinnen und Forscher eine aktive Form der Behandlung an. Dahinter verbirgt sich eine Behandlungsmaßnahme, die eine Erkrankung verhindern, heilen oder verlangsamen soll. Diese könnte zum Beispiel ein neues Medikament gegen eine Erkrankung wie Prostatakrebs sein. 

Interventionellen Studien lassen sich in vier Phasen gliedern. In jeder Phase untersuchen Forschende unterschiedliche Aspekte der neuen Behandlung und versuchen so, verschiedene Fragen zum neuen Arzneimittel zu beantworten. 

Phase 1-Studie

In einer Studie der Phase 1 wendet das Forschungsteam die neue Therapie zum ersten Mal bei einer kleinen Gruppe von Personen an. Es gibt also nur wenige Probanden. Ziel ist es, Informationen über wichtige Eigenschaften eines neuen Arzneimittels zu erhalten, etwa zur Verträglichkeit und Sicherheit. Eine Phase 1-Studie kann zeigen, ob  sich die eine Therapie für den Einsatz beim Menschen eignet. Außerdem möchten Forschende in der Phase 1-Studie eine Dosis für eine eventuelle Phase 2-Studie finden, die im Anschluss folgen könnte. 

Phase 2-Studie

Eine Studie der Phase 2 umfasst mehr Probanden und Probandinnen. Meist liegt die Anzahl zwischen 100 und 300 Studienteilnehmenden. Jetzt wird das neue Medikament weiter im Hinblick auf jene Erkrankung getestet, gegen die es helfen soll, also zum Beispiel Prostatakrebs.

Der Schwerpunkt liegt darauf, die optimale Dosierung für das Medikament zu finden. Außerdem generieren Forscherteams noch mehr Daten zur Sicherheit des Medikaments, prüfen erstmals die Wirksamkeit und dokumentieren eventuelle Nebenwirkungen. 

Phase 3-Studie

Eine Studie der Phase 3 umfasst viele Probanden und Probandinnen.  Sie zeigt, wie wirksam, verträglich und sicher ein Medikament ist. Meist handelt es sich bei einer Phase 3-Studie um eine Vergleichsstudie. Das bedeutet, dass das Forschungsteam zwei Gruppen gegenüberstellt: 

  • Gruppe 1 erhält die neue, zu überprüfende Behandlung (z.B. das Medikament).
  • Gruppe 2 dient als Kontrollgruppe. Sie erhält eine andere Therapie oder eine Scheinbehandlung (Placebo).

 

Phase 4-Studie

Eine Studie der Phase 4 führen Hersteller durch,  wenn ihre Therapie (z.B. Medikament) bereits eine Zulassung besitzt und auf dem Markt ist. Die Behandlung wird erneut bei erkrankten Menschen untersucht, die aber besondere Merkmale mitbringen. Das können zum Beispiel Menschen einer bestimmten Altersgruppe oder mit besonderen Vorerkrankungen sein. Auch seltene Nebenwirkungen eines Medikaments lassen sich in einer Phase 4-Studie herausfinden, weil im ärztlichen Alltag viel mehr Patienten und Patientinnen damit behandelt werden.

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Zusammengefasst:

Für eine klinische Studie ist immer eine größere Anzahl an Studienteilnehmenden mit der gleichen Krankheit nötig, die unter den gleichen Bedingungen behandelt werden. Aus der Wirksamkeit einer Therapie bei wenigen Menschen mit einer Erkrankung lässt sich nämlich noch nicht schlussfolgern, dass sie auch bei allen anderen wirksam ist.

Zudem sind Menschen individuell sehr unterschiedlich. Auch zwischen den Geschlechtern gibt es Unterschiede, die man berücksichtigen muss. So kann ein Medikament bei einem Mann anders wirken als bei einer Frau.  

Alle Therapien, die Forschende im Rahmen von Studien durchführen, werden genau geplant, systematisch überprüft und sorgfältig ausgewertet. Aus den Studienergebnissen lässt sich schließen, wie gut ein Medikament wirkt und wie sicher und verträglich es ist. 

Studien: kontrolliert, randomisiert, verblindet, doppelblind

Im Zusammenhang mit klinischen Studien kursieren viele verschiedene Begriffe – ein kurzer Überblick und was die Wörter jeweils bedeuten:

  • Kontrollierte Studie: Dabei wird die neue therapeutische Maßnahme mit einer anderen schon geprüften Behandlung oder einer Scheinbehandlung verglichen, einem Placebo (ohne Wirkstoff). So lässt sich der tatsächlichen Effekt der neuen Behandlung herausfinden.
  • Randomisierte Studie: Dabei werden die Studienteilnehmer zufällig per Los einer Gruppe zugeteilt. Es gibt eine Behandlungsgruppe, die die neue Therapie erhält,  und eine Kontrollgruppe, die eine andere Therapie oder ein Placebo bekommt. 
  • Verblindete Studie: In diesem Fall wissen die Probanden und Probandinnen nicht, ob sie in der Behandlungsgruppe oder Kontrollgruppe sind. Es ist ihnen also unbekannt, ob sie ein neues Medikament, eine andere Behandlung oder ein Placebo bekommen.
  • Doppelblinde Studie: Hier wissen weder die Teilnehmenden der Studie noch die Ärztinnen und Ärzte, welcher Proband welcher Gruppe zugelost wurde. Ziel ist es, mögliche Erwartungen  und Beeinflussungen auszuschalten. Diese könnten nämlich die Ergebnisse verfälschen.

 

Gut gemachte Studien, die eine hohe Aussagekraft besitzen, sind in der Regel kontrolliert, randomisiert und doppelblind. Allerdings sind diese Studien auch sehr aufwändig.

Nicht-interventionelle Studien - das steckt dahinter

Im Gegensatz zu den interventionellen Studien findet bei nicht-interventionellen Studien keine gezielte Maßnahme statt, zum Beispiel eine Therapie. Hier geht es nur um das Beobachten, Festhalten und Dokumentieren. Ein anderer Name für diese Studienart ist deshalb Beobachtungsstudie

Drei Arten lassen sich hier unterscheiden: 

  • Fall-Kontroll-Studien: Hier werden Patientinnen und Patienten, die eine Behandlung erhalten haben, rückblickend (retrospektiv) mit jenen Studienteilnehmenden verglichen, die keine Therapie erhalten haben.
  • Kohortenstudien: Hier beobachten Forschungsteam den Verlauf einer Krankheit bei Probanden und Probandinnen, die eine bestimmte Therapie erhalten haben.  Sie verfolgen die Studienteilnehmenden oft über viele Jahre hinweg (prospektiv).
  • Querschnittsstudien: Sie zeigen zum Beispiel, wie eine Erkrankung in der Bevölkerung verteilt ist. Diese Studien liefern aber nur Momentaufnahmen, weil sie Daten zu einem bestimmten Zeitpunkt erfassen. 

 

Klinische Studien – warum sind sie wichtig?

Klinische Studien sind der einzige Weg, um eine neue Behandlung – etwa ein Medikament gegen Prostatakrebs – für kranke Menschen zugänglich zu machen. Jetzige und zukünftige Patientinnen und Patienten profitieren von einem neuen Medikament, das zum Beispiel wirksamer und verträglicher ist oder weniger Nebenwirkungen besitzt als ein herkömmliches Arzneimittel. Manchmal lässt sich durch neue Therapien eine Krankheit, die früher das Leben gekostet hätte, in eine chronische Erkrankung überführen. Ein Beispiel dafür ist HIV/Aids. Auch bei Prostatakrebs gibt es inzwischen viele neue Behandlungen, die die Lebensqualität verbessern und das Überleben verlängern können. 

Forschende brauchen bei der Entwicklung und beim Überprüfen  einer neuen Therapie jedoch einen langen Atem. Zudem kostet die Entwicklung einer neuen Therapie oder Diagnosemethode sehr viel Geld. Und wenn ein neues Arzneimittel gefunden wurde, erfüllt es nicht immer die Erwartungen. Eine neue Therapie kann sich auch als Irrweg erweisen und wird dann nicht weiter verfolgt. Und manchmal schneidet ein neues Medikament nicht besser ab als eine Therapie, die schon auf dem Markt ist und eingesetzt wird. Ein neues Medikament muss also einem alten nicht unbedingt überlegen sein. 

In Deutschland müssen neue Therapien strenge Anforderungen erfüllen und genau festgelegte Zulassungsverfahren durchlaufen. Erst dann dürfen Ärztinnen und Ärzte sie flächendeckend bei Menschen mit der jeweiligen Erkrankung anwenden, zum Beispiel bei Männern mit Prostatakrebs.

Wo finde ich klinische Studien zu Prostatakrebs?

  • Fragen Sie Ihr Behandlungsteam, ob es derzeit eine passende Studie gibt.
  • In Deutschland gibt es ein frei zugängliches, zentrales Studienregister: www.drks.de. Dort können Sie selbst nach Studien zu Ihrem Krankheitsbild suchen, zum Beispiel nach dem Stichwort “Prostatakrebs”.
  • Ein internationales Studienregister ist: www.clinicaltrials.gov.

Studienteilnahme – welche Vorteile habe ich?

Beim Thema Studienteilnahme denken manche, sie dienten vielleicht als Versuchskaninchen und an ihnen würden sogar gefährliche oder riskante Medikamente oder Verfahren getestet. Dies ist mitnichten der Fall, denn eine Studie muss strengen Sicherheitsanforderungen genügen. Die Sicherheit von Probanden und Probandinnen ist ein sehr hohes Gut. 

Eine Studienteilnahme kann einige Vorteile haben, zum Beispiel:

  • Sie haben Zugang zu neuen Behandlungen und Verfahren, von denen Sie selbst profitieren könnten. Es könnten sich neue Möglichkeiten ergeben, etwa eine höhere Wirksamkeit eines Medikaments bei Ihrer Erkrankung, weniger Nebenwirkungen oder eine bessere Lebensqualität.
  • Die ärztliche Betreuung im Rahmen einer Studie ist meist engmaschiger und umfangreicher als sonst. Ärztinnen und Ärzte überwachen, untersuchen und betreuen Sie  intensiv während der Studie. Alle arbeiten eng im Team und tauschen sich miteinander aus. 
  • Sie helfen mit bei der Entwicklung wirksamer und sicherer Behandlungen und haben am medizinischen Fortschritt Teil.
  • Sie helfen auch anderen Menschen, die später in ihrem Leben die gleiche Erkrankung bekommen wie Sie selbst. Dies ist ein altruistisches Argument. 
  • Wenn Sie sich für die Studienteilnahme entschieden haben: Sie können Ihre Teilnahme jederzeit beenden, ohne dies begründen zu müssen. 

 

Welche Nachteile kann eine Studienteilnahme haben?

Auch einige Nachteile sind bei einer Studienteilnahme möglich:

  • Die neue Behandlung kann weniger wirksam sein als die herkömmliche oder überhaupt keine Wirkung haben.
  • Manche Nebenwirkungen lassen sich nicht vorhersehen.
  • Sie erhalten möglicherweise ein Scheinmedikament. In onkologischen Studien sind Scheinbehandlungen allerdings sehr selten. Es wäre unethisch, Krebskranken ein womöglich wirksames Medikament vorzuenthalten.
  • Sie müssen regelmäßige Termine wahrnehmen.

 

Tipps zur Studienteilnahme

Fragen Sie Ihr Behandlungsteam, ob es derzeit eine passende Studie für Sie gibt und ob eine Teilnahme möglich ist. Lassen Sie sich gut informieren, nehmen Sie sich Zeit zum Nachdenken und erst dann entscheiden Sie. Vielleicht können Sie ihren Ärztinnen und Ärzten einige Fragen stellen, zum Beispiel:

  • welches Ziel die Studie hat
  • welche Informationen es schon über das neue Medikament oder Verfahren gibt
  • wer die Studie finanziert
  • was bei der Studienteilnahme zu beachten ist
  • wie viel Zeit Sie in Untersuchungen, Behandlun­gen und weitere Termine investieren müssen
  • welche Kontaktpersonen es bei Fragen oder Nebenwirkungen gibt
     

Quellen:

  • Deutsche Krebshilfe, Blaue Ratgeber „Klinische Studien“, https://www.krebshilfe.de/infomaterial/Blaue_Ratgeber/Klinische-Studien_BlaueRatgeber_DeutscheKrebshilfe.pdf  (Abruf: 23.11.2023)
  • Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin (ÄZQ), https://www.patienten-information.de/kurzinformationen/klinische-studien (Abruf: 23.11.2023)
  • Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), https://www.gesundheitsforschung-bmbf.de/de/wie-funktionieren-klinische-studien-6877.php und https://www.bmbf.de/bmbf/de/forschung/gesundheit/individualisierte-medizin/klinische-studien/klinische-studien_node.html (Abruf: 24.11.2023)