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Brachytherapie bei Prostatakrebs: Bestrahlung von innen

30. August 2022 | von Ingrid Müller
Aktualisiert und medizinisch geprüft am 30.8.2022
von Ingrid Müller, Chefredakteurin und Medizinjournalistin

Bei einer Brachytherapie implantieren Ärzte winzige radioaktive Metallteilchen in die Prostata und rücken dem Prostatakrebs von innen zu Leibe. Lesen Sie, wie die Brachytherapie abläuft, für welche Männer sie sich eignet und welche Nebenwirkungen sie hat.

Kurzüberblick

  • Wie funktioniert die Brachytherapie? Mit radioaktiven Teilchen, die in die Prostata eingepflanzt werden, attackieren die Krebszellen zielgenau
  • LDR- und HDR-Brachytherapie: mit niedriger Dosierung (meist Jod-125) und höhere Strahlendosis (z.B. Iridium-192)
  • Für wen geeignet? Lokal begrenzter Prostatakrebs mit niedrigem Risiko für das Fortschreiten
  • Ablauf: Mit Rückenmarks- oder Vollnarkose, stationär oder LDR-Brachytherapie auch ambulant in der Arztpraxis möglich
  • Vorteile, Risiken, Nebenwirkungen: schonende Behandlung mit wenigen Nebenwirkungen, z.B. Probleme beim Wasserlassen
  • Wirksamkeit: gut, kann eine Alternative zur Operation oder Bestrahlung von außen sein

Bei einer Strahlentherapie zerstören Radiologen das Krebsgewebe in der Prostata mit Hilfe energiereicher Strahlen. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie sie die Strahlung verabreichen: Entweder von außen über die Haut (perkutane oder externe Strahlentherapie) oder von innen. Dann platzieren Ärzte die Strahlenquelle innerhalb des Körpers in unmittelbarer Nähe des Prostatatumors oder in das Krebsgewebe selbst. Die interne Strahlentherapie heißt auch Brachytherapie (altgriechisch „brachys“ = kurz, nah).

Wie funktioniert die Brachytherapie?

Als Strahlenquellen dienen radioaktive Substanzen in Form kleiner Metallteilchen. Diese sind in winzige, längliche „Kapseln“ verpackt, sogenannte Seeds. Sie sind etwa so groß wie Reiskörner. Der Operateur pflanzt die Seeds in einem kurzen Eingriff in den Tumor oder naheliegendes Gewebe ein. Von dort aus richten die Ministrahler ihre zerstörerische Ladung kontinuierlich oder kurzfristig gegen das Krebsgewebe. Die Strahlung reicht immer nur wenige Millimeter bis Zentimeter weit. Die Lebensdauer der radioaktiven Substanzen ist begrenzt und hält immer nur wenige Tage bis Wochen an. Dann klingt die Strahlung wieder ab. Männer müssen daher nicht befürchten, dass sie dauerhaft „strahlen“.

Ein wichtiges Ziel der Strahlentherapie bei Prostatakrebs ist es, das umliegende, gesunde Gewebe so weit wie möglich zu schonen. Und das gelingt mit der Brachytherapie besonders gut, weil die Strahlen keine langen Umwege nehmen müssen, sondern den Tumor direkt erreichen.

LDR-Brachytherapie und HDR-Brachytherapie – die Unterschiede

Strahlenärzte unterscheiden zwei Varianten der Brachtherapie, die sich in der Höhe der verabreichten Strahlendosis und der Art des radioaktiven Strahlers unterscheiden. Im Vergleich zur Bestrahlung über die Haut können Radiologen jedoch eine höhere Strahlendosis wählen, weil die Strahlung weniger weit reicht und die Strahlenquelle zudem zielgenau in der Prostata sitzt. Allerdings implantieren Chirurgen aufgrund der geringen Reichweite oft sehr viele Seeds und verteilen sie über die gesamte Prostata. Sonst würde die Dosis, welche die Krebszellen erreicht, zu gering ausfallen.

- LDR-Brachytherapie

Bei der Low-Dose-Rate-Brachytherapie (LDR-Brachytherapie) setzten Ärzte Strahler mit geringer Reichweite ein. Die Seeds enthalten die radioaktiven Substanzen Jod-125 oder Palladium-103; sie verbleiben im Körper. Jod 125 strahlt ungefähr 60 Tage, Palladium-103 etwa 17 Tage. In Deutschland kommt überwiegend Jod-125 zum Einsatz. 

LDR-Brachytherapie

Diese Form der inneren Bestrahlung ist jetzt auch ambulant in einer normalen Arztpraxis möglich.

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- HDR-Brachytherapie

Bei der High-Dose-Rate Brachytherapie (HDR-Brachytherapie) pflanzen Ärzte oder Ärztinnen stärkere Strahlenquellen in die Prostata ein, die sie nach wenigen Stunden wieder entfernen. Die Methode heißt auch Brachytherapie mit Afterloading (deutsch: „Nachladeverfahren“). Als Strahlenquelle dient Iridium-192; es gibt eine sehr hohe Strahlendosis ab und besitzt eine sehr kurze Reichweite.

Brachytherapie - für welchen Mann? 

Ob eine Brachytherapie für Sie in Frage kommt, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wichtig ist, dass der Prostatakrebs noch lokal begrenzt ist, aber auch das Risikoprofil des Tumors spielt bei der Entscheidung mit. Manche Tumoren sind nämlich aggressiv und breiten sich rasch aus, während andere nur langsam wachsen und wenig aggressiv sind.

- Bei niedrigem Risikoprofil

Die LDR-Brachytherapie eignet sich als alleinige Behandlung für Männer, deren Prostatakrebs noch auf die Prostata beschränkt ist (lokal begrenztes Prostatakarzinom). In diesem Fall hat der Tumor noch nicht in andere Organe gestreut und keine Metastasen gebildet.  

Zudem sollte der Tumor ein niedriges Risikoprofil besitzen, also wenig aggressiv und möglichst klein sein.  Für diese Männer ist die LDR-Brachytherapie eine Alternative sowohl zur operativen Entfernung der Prostata (radikale Prostatektomie) als auch zur Strahlentherapie über die Haut. Anderes als lange empfohlen, eignet sich die LDR-Brachytherapie auch für Männer mit einer großen Prostata (der Wert ist nicht mehr auf 60 ml begrenzt). 

Folgende Bedingungen sollten erfüllt sein, damit die LDR-Brachyhterapie in Frage kommt:

  • Der PSA-Wert sollte unter 10 Nanogramm pro Liter (ng/l) liegen.
  • Der Gleason-Score sollte in der Summe den Wert 6 betragen (er gibt an, wie aggressiv der Prostatakrebs ist)
  • Das Tumorstadium beträgt am besten cT1c bis cT2a

Die HDR-Brachytherapie als alleinige Behandlung sollte bei einem Prostatakrebs mit niedrigem Risikoprofil nur im Rahmen von kontrollierten Studien zum Einsatz kommen.  

- Bei mittlerem und hohem Risikoprofil

Wenn das lokal begrenzte Prostatakarzinom dagegen ein mittleres oder hohes Risiko birgt, dass es weiter wächst, eignet sich die LDR-Brachytherapie nicht als einige Krebstherapie. Ärztinnen und Ärzte können Männern in diesem Fall eine Kombination aus mehreren Behandlungen anbieten:

  • Bestrahlung von außen über die Haut (perkutane Strahlentherapie)
  • +  LDR-/HDR-Brachytherapie-Boost
  • + Hormontherapie über kurze oder längere Zeit - wie hoch der Stellenwert einer zusätzlichen Hormontherapie ist, ist noch nicht genau geklärt.

Brachytherapie - so läuft sie ab

Der LDR- und HDR-Brachytherapie gemeinsam ist, dass Patienten kleine Strahler eingepflanzt bekommen. Die Implantation erfolgt unter einer Rückenmarksnarkose (Spinalanästhesie) oder einer Vollnarkose. Der Eingriff ist stationär oder ambulant möglich. Die LDR-Brachytherapie lässt sich neuerdings auch in der ganz normalen Arztpraxis durchführen. 

Bei der LDR-Variante verbleiben die Seeds in der Prostata und Sie können direkt nach dem ambulanten Eingriff nach Hause gehen. Bei der HDR-Methode entfernen Ärzte die Strahlenquelle dagegen nach kurzer Zeit wieder und Sie bleiben kurz im Krankenhaus. Nach etwa einer Woche Pause wiederholen Mediziner die Strahlenbehandlung.

- LDR-Brachytherapie: Ablauf

Das Einpflanzen der Seeds erfolgt entweder unter einer kurzen Vollnarkose oder lokaler Betäubung (regionale Anästhesie, Teilnarkose) des Unterleibs. Als Unterstützung zur gezielten Implantation nutzen Ärzte eine spezielle Software, die einen genauen Implantationsplan errechnet.

  • Zunächst legen Ärzte einen Blasenkatheter, über den sie ein Kontrastmittel in die Harnblase einbringen.
  • Auf dem Röntgen- und Ultraschallbild kontrollieren sie ihre Vorgehen, damit sie die Blase und Harnröhre während der Seed-Implantation nicht verletzen.
  • Die Seeds gelangen vom Damm aus mit Hilfe von feinen Hohlnadeln in die Prostata. In diesen befinden sich die winzigen radioaktiven Metallteilchen (meist Jod-125).
  • Die Nadeln zieht der Operateur wieder heraus, während die Seeds in der Prostata verbleiben. Ärzte bezeichnen diese Technik oft auch als „Spickung“.
  • Wichtig ist die Nachkontrolle der Seeds mittels Computertomografie etwa vier bis sechs Wochen nach der Implantation.

 

Tipp! Radiologen empfehlen, in den ersten Tagen nach der LDR-Brachytherapie keinen engen körperlichen Kontakt zu Schwangeren und Kindern zu pflegen. Sie müssen sich aber auch nicht komplett isolieren. Sie können Besuch empfangen, sich im gleichen Zimmer mit anderen aufhalten, andere umarmen oder mit Handschlag begrüßen. Nach einigen Wochen ist die Strahlung weitgehend abgeklungen und Sie sind keine Gefahr mehr für andere.

- HDR-Brachytherapie: Ablauf

Für die HDR-Brachytherapie müssen Sie stationär für einige Tage in eine Klinik. Der Eingriff erfolgt in der Regel unter örtlicher Betäubung. Meist schlagen Operateure eine Rückenmarksnarkose (Spinalanästhesie) vor. 

  • Wie bei der LDR-Brachytherapie platzieren Ärzte oder Ärztinnen zuerst einen Blasenkatheter und dann die Hohlnadeln an der richtigen Stelle in der Prostata.
  • Über bildgebende Verfahren wie den Ultraschall überprüfen sie, ob diese auch richtig sitzen.
  • Dann gelangt das radioaktive Iridium-192 computergesteuert mittels einer Art Roboter über die Hohlnadeln in das Krebsgewebe.
  • Sie sind dabei allein im Raum, aber Ärzte verfolgen alles am Computer mit.
  • Der Eingriff selbst dauert bis zu zwei Stunden, die Bestrahlung nur wenige Minuten.
  • Am Tag nach dem Eingriff können Sie normalerweise wieder nach Hause gehen.
  • Allerdings gibt es einen zweiten Behandlungstermin in der Klinik, der frühestens eine Woche nach der ersten Brachytherapie stattfindet.
  • In der Regel schließt sich dann noch eine mehrwöchige, externe Strahlentherapie über die Haut an.

 

Tipp! Nach einer HDR-Brachytherapie sind Sie keine Gefahr für Ihre Mitmenschen, weil die Strahlenquelle wieder entfernt wurde.

Strahlentherapie

Erfahren Sie, wie eine Strahlentherapie von außen über die Haut abläuft und welche Risiken sie birgt.

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Brachytherapie – Vorteile, Risiken, Nebenwirkungen

Die Brachytherapie ist nur sehr wenig invasiv. Das heißt, sie kommt ohne chirurgisches Messer und große Schnitte aus. Allerdings hinterlässt auch die Brachytherapie kleine Wunden, die erst abheilen müssen. Bis dahin besteht das Risiko, dass diese bluten oder sich entzünden. Verletzungen der Harnröhre sind im Vergleich zur operativen Entfernung der Prostata deutlich seltener. Positiv ist auch, dass Sie nach der Brachytherapie meist wieder schnell nach Hause dürfen. Außerdem scheinen Nebenwirkungen wie Inkontinenz und Erektile Dysfunktion seltener aufzutreten als nach der Operation der Prostata.

Folgende Nebenwirkungen der Brachytherapie können vorkommen:

  • Probleme beim Wasserlassen, die allerdings mit der Zeit vorübergehen. Die Gründe sind angeschwollenes Gewebe und Entzündungsreaktionen im Harntrakt.
  • manchmal Entzündungen im Bereich des Darms: Männer müssen in der Folge häufiger zur Toilette oder verspüren Schmerzen beim Stuhlgang.

Insgesamt besitzt die Brachytherapie aber vergleichsweise wenige Nebenwirkungen und die meisten Männer vertragen sie gut.

Brachytherapie - Wirksamkeit

Ärzte und Ärztinnen gehen davon aus, dass sich ein früher Prostatakrebs mit Hilfe der Brachytherapie heilen lässt. Für bestimmte Männer mit einem Prostatakarzinom ist sie eine gute Alternative zur Operation oder der externen Bestrahlung. Zwei Studien lassen vermuten, dass die Brachytherapie ähnlich wirksam ist wie die Prostatektomie mit Hilfe eines Roboters

Wie gut die Brachytherapie im Vergleich zum beobachtenden Abwarten (watchful waiting) oder der aktiven Überwachung (active surveillance) abschneidet, ist nicht genau bekannt.  Dazu gibt es keine genauen Daten.

LDR-Brachytherapie

Die Langzeitprognose bei der LDR-Brachytherapie ist gut und es tritt seltener Inkontinenz auf, ergab ein Studie.

Wie stellen Ärzte fest, ob die Brachytherapie erfolgreich war?

Die Nachbeobachtung ist ein wesentlicher Baustein bei der Brachytherapie. Denn der Erfolg stellt sich meist nicht sofort, sondern erst nach Monaten ein – Sie brauchen also Geduld und einen längeren Atem.

Den Erfolg der Strahlenbehandlung von innen bestimmen Ärzte anhand des PSA-Wertes. Er sinkt nach einer Strahlenbehandlung jedoch nicht so schnell ab wie nach einer operativen Entfernung der Prostata. Bis der PSA seinen tiefsten Wert erreicht hat, können mehrere Monate vergehen. Dieser Wert heißt „Nadir“. Die besten Heilungschancen haben offenbar Männer, deren Nadir unterhalb von 0,5 ng/l liegt.

Bei vielen Männern tritt nach der Bestrahlung ein Effekt auf, der die Bewertung des Erfolgs komplizierter macht: der sogenannte PSA-Sprung (englisch PSA-Bounce). Zunächst sinkt der PSA, steigt dann einige Zeit nach dem Ende der Bestrahlung an und fällt im Anschluss wieder. Ob die Behandlung erfolgreich war, lässt sich also erst nach längerer Zeit beurteilen.

Achtung! Ein kurzfristiger Anstieg des PSA-Wertes bedeutet nicht zwangsläufig, dass der Prostatakrebs zurückgekehrt ist und Sie einen Rückfall erlitten haben. Wichtig ist, dass der PSA-Wert langfristig einen Trend nach unten zeigt!

Quellen: