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Metastasierter hormonempfindlicher Prostatakrebs: Medikament verlängert Überleben

24. Februar 2022 | von Ingrid Müller

Ein metastasierter, hormonempfindlicher Prostatakrebs ist gefährlich und betroffene Männer haben oft nur eine geringe Überlebenszeit. Der Wirkstoff Darolutamid konnte jetzt in einer Studie das Überleben verlängern. 

Ein metastasierter, hormonempfindlicher Prostatakrebs ist zwar nicht mehr heilbar, lässt sich aber palliativ behandeln und meist noch eine Zeit lang aufhalten. Der Prostatakrebs hat in diesem Fall schon Krebsabsiedelungen in anderen Organen gebildet und wächst unter dem Einfluss von männlichen Geschlechtshormonen, etwa dem Testosteron. Eine wirksame Behandlungsstrategie ist daher die Hormontherapie

Dabei kommen Medikamente zum Einsatz, welche die Hormonproduktion unterdrücken (Hormonentzug) beziehungsweise die Wirkung des männlichen Geschlechtshormons an den Prostatakrebszellen blockieren (Antiandrogene). Es gibt verschiedene Wirkstoffe, die bei hormonempfindlichem Prostatakrebs wirksam sind. Ein noch relativ neuer Wirkstoff ist Darolutamid. Seit 2020 ist er für Männer mit nicht-metastasiertem, hormonempfindlichem Prostatakrebs zugelassen, die schon eine Hormontherapie erhalten und ein hohes Risiko für die Entwicklung von Metastasen haben. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn der PSA-Wert trotz Hormontherapie in mehreren Bluttests deutlich ansteigt. 

Hormontherapie

Lesen Sie, für welche Männer die Hormontherapie in Frage kommt, wie sie wirkt und welche Nebenwirkungen sie hat. 

 

Prostata Hilfe Deutschland: Nadel einer Spritze vor gelben Hintergrund

Ein internationales Forscherteam hat jetzt in einer Studie herausgefunden, dass zusätzliches Darolutamid Männern mit metastasiertem, hormonempfindlichem Prostatakrebs einen deutlichen Überlebensvorteil bringt. Diese Prostatakrebserkrankung besitzt eine ungünstige Prognose und kann Männer binnen weniger Monate oder Jahre das Leben kosten. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten die Forschenden vom Massachusetts General Hospital (MGH) jetzt im renommierten Fachmagazin New England Journal of Medicine (NEJM). 

 

Chemotherapie +  Hormonentzug + Darolutamid

An der sogenannten ARASENS-Studie (eine Phase-3-Studie) nahmen 1.306 Männer teil, deren Prostatakrebs hormonempfindlich war und schon Metastasen gebildet hatte. Sie waren im Schnitt 67 Jahre alt. Alle erhielten eine Chemotherapie mit Docetaxel sowie eine „normale“ Hormonentzugstherapie. 

Dann wurden die Männer nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt: Die eine Hälfte erhielt zusätzlich zweimal täglich ein Placebo (655 Männer), die anderen 600 Milligramm Darolutamid (651 Männer). Frühere Studien hatten keine einheitlichen Ergebnisse bei der Kombination dieser drei Therapien erbracht. Deshalb wollte das Forscherteam jetzt mehr Klarheit über die Wirksamkeit des „Dreierpacks“ hinsichtlich der Überlebenszeit bekommen.

Der Wirkstoff Darolutamid zählt zu den Antiandrogenen (auch Androgenrezeptorblocker) der zweiten Generation. Er unterdrückt nicht die Hormonproduktion, sondern hemmt die Wirkung des männlichen Geschlechtshormons Testosteron an den Krebszellen – und bremst so das Wachstum von Tumor und Metastasen.  

 

Zusätzliches Darolutamid verlängert Überleben 

Im Studienzeitraum überlebten 533 Männer ihre metastasierte Krebserkrankung nicht. Bei den übrigen Männern verglichen die Forschenden die Überlebensraten. Im Schnitt wurden sie über 3,5 Jahre beobachtet. Darolutamid verlängerte das Überleben der Männer deutlich, so das zentrale Ergebnis der Studie. Männer, die zusätzlich diesen Wirkstoff einnahmen, hatten in diesem Zeitraum ein 32,5 Prozent niedrigeres Sterberisiko als jene Männer, die ein Placebo bekamen. 

Außerdem wurde der Prostatakrebs bei diesen Männern erst später unempfindlich gegenüber der Hormontherapie. Fachleute sprechen von „kastrationsresistent“. In diesem Fall spricht der Prostatakrebs nicht mehr auf den Hormonentzug an und wächst auch ohne Testosteron weiter. Männer, die zusätzlich Darolutamid einnahmen, litten außerdem weniger unter Schmerzen und brauchten seltener weitere Krebstherapien. 

Kastrationsresistenter Prostatakrebs

Lesen Sie, welche Medikamente helfen, wenn der Prostatakrebs auch ohne Hormone weiter wächst.

 

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild Kastrationsresistenter Prostatakrebs - Mann mit Tabletten in der Hand
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Die Kombination aus dem Chemotherapeutikum Docetaxel, der Hormonentzugstherapie und Darolutamid entfaltete auch keine stärkeren Nebenwirkungen als nur die Hormontherapie und Docetaxel alleine. „Trotz der Therapiefortschritte in den letzten Jahren ist die Überlebenszeit für Männer mit metastasiertem Prostatakrebs nach wie vor relativ kurz“, erklärt Matthew R. Smith vom Mass General Cancer Center, der Hauptautor der Studie. „Die Ergebnisse sind ein wichtiger Schritt nach vorne. Die Dreifachtherapie mit Darolutamid könnte ein neuer Standard in der Behandlung von Patienten mit metastasiertem, hormonempfindlichen Prostatakrebs werden“, so Smith weiter. 

Bei diesem Krebs empfehlen die medizinischen Leitlinien derzeit zusätzlich zum Hormonentzug eine Hormonbehandlung mit den Wirkstoffen Apalutamid, Enzalutamid oder Abirateron. Auch die Chemotherapie mit Docetaxel kommt zum Einsatz. 

 

Darolutamid – für welchen Mann zugelassen?

Derzeit ist Darolutamid für Männer zugelassen, deren Prostatakrebs noch nicht metastasiert ist, die aber ein hohes Risiko für die Metastasierung in sich tragen. Der Wirkstoff eignet sich, wenn der Prostatakrebs nicht mehr auf einen Hormonentzug anspricht, also kastrationsresistent geworden ist. Ungefähr 30 Prozent der Männer mit nicht-metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom entwickeln binnen zwei Jahren Knochenmetastasen. Die mittlere Überlebenszeit liegt dann noch bei etwa vier Jahren. Für diese Männer ist Darolutamid eine Therapiemöglichkeit. Der Wirkstoff blockiert die Aktivität der männlichen Geschlechtshormone (Androgene), zum Beispiel Testosteron. Dadurch können die Prostatakrebszellen nicht mehr wachsen und sich nicht mehr teilen.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat im Jahr 2020 geprüft, welche Vor- und Nachteile Darolutamid für Männer mit hormonempfindlichem Prostatakrebs und einem hohen Risiko für Metastasen im Vergleich zu normalen Krebstherapien hat. Die Basis für die Analyse war eine Studie des Herstellers mit 1.509 Männern. Alle Männer erhielten eine Behandlung zur Hormonblockade. 955 Männer bekamen zusätzlich Darolutamid und 554 eine Scheinbehandlung, also ein Placebo. 

Die Ergebnisse im Kurzüberblick:

  • Überlebenszeit: Darolutamid kann vermutlich die Lebenserwartung verlängern. Innerhalb von rund 19 Monaten nach Beginn der Behandlung starben mit Darolutamid 16 von 100 Männern. Ohne das Medikament waren bereits nach etwa 12 Monaten 19 von 100 Männern nicht mehr am Leben.
  • Beschwerden aufgrund von Knochenmetastasen: Es gibt Hinweise darauf, dass Darolutamid Beschwerden verringern und weitere Krebsbehandlungen vermeiden kann. Zwei von 100 Männern, die Darolutamid einnahmen, litten unter Symptomen aufgrund des fortschreitenden Prostatakrebses oder mussten sich weiteren Behandlungen unterziehen.  In der Vergleichsgruppe war dies bei etwa 3 von 100 Männern der Fall.
  • Operationen wegen des Krebswachstums: Rund 4 von 100 Männern, die Darolutamid anwendeten, mussten sich einer Operation unterziehen. In der anderen Gruppe waren es dagegen 8 von 100 Männern. 
  • Schmerzen: Der Wirkstoff scheint sich auch positiv auf die Schmerzen auszuwirken. Bei 26 von 100 Männern, die Darolutamid einnahmen, hatten die Schmerzen zugenommen oder sie mussten sich mit starken Schmerzmitteln behandeln lassen. In der Vergleichsgruppe waren es dagegen 32 von 100 Männern. 
  • Lebensqualität: Der Wirkstoff kann sich womöglich positiv auf das körperliche und emotionale Wohlbefinden auswirken. Nach vier Monaten Behandlung mit Darolutamid hatte sich die Lebensqualität bei 20 von 100 Männern spürbar verschlechtert, in der Vergleichsgruppe waren es 25 von 100 Männern.
  • Nieren- und Harnwegserkrankungen: Unter der Einnahme von Darolutamid entwickelten 5 von 100 Männern Erkrankungen der Nieren oder Harnwege (Vergleichsgruppe: 7 von 100)
  • Schwere Allgemeinerkrankungen: Hier schnitt Darolutamid schlechter ab, denn 2 von 100 Männern entwickelten diese schweren Nebenwirkungen, während es in der anderen Gruppe ohne den Wirkstoff weniger als 1 von 100 war.

 

Quellen: