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Prostatakrebs: KI gegen unnötige Biopsien

09. August 2024 | von Ingrid Mülller

Kann die Künstliche Intelligenz (KI) Männern bei einem Verdacht auf Prostatakrebs eine Biopsie ersparen? Nicht allen, aber vielen, ergab eine neue Studie eines deutschen Forschungsteams. 

Die Künstliche Intelligenz KI spielt schon in vielen Bereichen der Medizin eine Rolle. Ein Beispiel ist die KI-gestützte Auswertung von Aufnahmen aus bildgebenden Verfahren wie der Computertomografie oder Magnetresonanztomografie. Die KI könnte zukünftig auch bei der Entscheidung helfen, ob bei einem erhöhten PSA-Wert eine Biopsie – eine Gewebeentnahme aus der Prostata – nötig ist. Ein zu hoher PSA-Wert kann ein Anzeichen für Prostatakrebs sein, muss es aber nicht unbedingt. Es gibt noch einige andere Gründe, die den PSA erhöhen können

Ärztinnen und Ärzte führen eine Prostatabiopsie meist durch, um den Verdacht auf Prostatakrebs zu bestätigen oder Entwarnung geben zu können. Die feingewebliche Analyse der entnommenen Zellen unter dem Mikroskop zeigt in der Regel eindeutig, ob es sich um gutartige Zellen oder Krebszellen handelt. „Die Biopsie ist jedoch invasiv und kann in seltenen Fällen zu Infekten oder Blutungen führen, die teilweise sogar eine Krankenhausaufnahme erfordern“, sagt David Bonekamp, Radiologe am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Eine Biopsie ist also nicht ganz ohne Risiko

Ist eine Biopsie nötig?

Lesen Sie die wichtigsten Informationen zu Vorbereitung, Ablauf, Dauer und Risiken der Prostatabiopsie.

Prostata Hilfe Deutschland: Frau mit Röhrchen im Labor
(c) Luiz Pessoa/Adobe Stock

Biopsie – nicht jeder Mann braucht sie

Ein Forschungsteam vom DKFZ und von der Urologischen Universitätsklinik Heidelberg untersuchte jetzt in einer Studie, ob sich das Risiko für das Vorliegen eines Prostatakarzinoms durch den Einsatz von KI und der multiparametrischen Magnetresonanztomografie (mpMRT) genauer vorhersagen lässt. Nicht jeder Mann mit einem erhöhten PSA-Wert braucht nämlich eine Prostatabiopsie. Bei der Wahrscheinlichkeit spielen noch andere Faktoren mit, zum Beispiel individuelle Risikofaktoren wie das Alter, die Gene oder Krebserkrankungen in der Familie

Ärztinnen und Ärzte suchen daher nach neuen Möglichkeiten, um die Risikovorhersage zu verbessern. „Unser Ziel ist, diejenigen Männer herauszufiltern, die nur ein minimales Krebsrisiko haben. Ihnen könnte man die Gewebeentnahme ersparen oder diese um einige Zeit aufschieben. Männer dagegen, bei denen mit hoher Wahrscheinlichkeit Prostatakrebs vorliegt, profitieren dagegen von der Biopsie, da der Krebs früh erkannt werden kann“, erklärt Bonekamp.

Bessere Risikovorhersage dank Deep Learning und KI?

Um das Prostatakrebsrisiko abzuschätzen, nutzen Ärztinnen und Ärzte meist einen speziellen Kalkulator. Er berücksichtigt verschiedene Parameter wie den PSA-Wert, das Alter, Prostatavolumen und die Ergebnisse der MRT-Aufnahmen. Das sogenannte „PI-RADS-System" hilft bei der systematischen Auswertung der MRT-Bilder. Das Kürzel PI-RADS steht für „Prostate Imaging Reporting and Data System“. Es liefert einen Wahrscheinlichkeitswert (von 1 bis 5), dass tatsächlich Prostatakrebs vorliegt. Das Forschungsteam überprüfte nun in einer Studie, ob eine auf „Deep Learning“ basierende KI diese Vorhersage weiter verbessern oder womöglich sogar die PI-RADS-Einstufung ersetzen könnte. 

Was ist Deep Learning?

  • Eine spezielle Methode der Informationsverarbeitung und ein Teilbereich des maschinellen Lernens. 
  • Nutzt neuronale Netze (künstliche Neuronen), analysiert große Datenmengen (Big Data) und spürt wiederkehrende Muster auf. 
  • Orientiert sich an der Funktionsweise des menschlichen Gehirns. 
  • Kann das Erlernte auf der Basis vorhandener Informationen und des neuronalen Netzes immer wieder mit neuen Inhalten verknüpfen und dadurch Neues erlernen. 
  • Neuronales Netz gewinnt so die Fähigkeit, eigene Prognosen oder Entscheidungen zu treffen.

In die Untersuchung flosssen die Daten von 1.627 Männern ein. Alle hatten sich zwischen 2014 und 2021 in Heidelberg einer multiparametrischen MRT der Prostata und anschließend einer Biopsie unterzogen. Das DKFZ entwickelte einen Algorithmus zur Auswertung von Bilddaten und trainierte diesen mit den MRT-Aufnahmen von mehr als 1.000 dieser Männer. An den übrigen rund 500 Datensätzen erprobten die Forschenden, ob eine Kombination ihres Risikokalkulators mit der KI die Vorhersagegenauigkeit für Prostatakrebs verbessern kann.

KI kann Biopsie in vielen Fällen ersparen 

Wurde der PI-RADS-Wert im Risikokalkulator durch das KI-Verfahren ersetzt, änderte sich die diagnostische Aussagekraft kaum. Dagegen lieferte die Kombination von KI und PI-RADS deutlich bessere Resultate: Sie identifizierte 49 Prozent der Probanden, die ursprünglich eine Biopsie erhalten hatten, als Männer mit minimalen Prostatakrebsrisiken. „Das heißt, die Kombination von Deep Learning und radiologischer Befundung hätte theoretisch fast die Hälfte dieser Biopsien vermeiden können, ohne eine relevante Zahl an Tumoren zu übersehen“, sagt Adrian Schrader vom DKFZ, der Erstautor der aktuellen Studie. 

Offenbar liefere die Deep-Learning basierte KI und die PI-RADS-Befundung durch erfahrenen Radiologen und Radiologinnen komplementäre diagnostische Informationen, schlussfolgern die Forschenden. Insgesamt trügen diese zu einer präziseren Risikobestimmung für ein mögliches Prostatakarzinoms bei. 

„Für Männer mit einem auffälligen PSA-Wert könnte es in Zukunft einen großen Vorteil bedeuten, die KI-Analyse in die weiterführende Diagnostik zu integrieren“, betont Bonekamp. Weitere Studien müssten jedoch den Nutzen des Verfahrens bestätigen, und klären, dass es keine Nachteile für die Männer habe.

 

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