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Watchful Waiting bei Prostatakrebs – abwartendes Beobachten
03. September 2025 | von Ingrid MüllerAktualisiert und medizinisch geprüft am 3.9.2025 Ingrid Müller, Chefredakteurin und Medizinjournalistin |
Watchful Waiting ist eine Strategie, bei der Ärztinnen und Ärzte den Prostatakrebs nicht behandeln, sondern nur mögliche Symptome lindern. Lesen Sie, für wen das abwartende Beobachten in Frage kommt und wo die Vorteile und Nachteile liegen.
Kurzübersicht
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Was bedeutet Watchful Waiting?
Watchful Waiting oder zu Deutsch „Beobachtendes Abwarten“ ist eine Strategie, bei der Ärztinnen und Ärzte den Prostatakrebs zunächst nicht behandeln – ähnlich wie bei der Aktiven Überwachung (Active Surveillance). Im Unterschied dazu zielt das Watchful Waiting aber nicht auf die Heilung des Prostatakarzinoms ab, sondern auf die Linderung der Symptome.
Es gibt dabei keine regelmäßigen Kontrollen und Untersuchungen wie einen PSA-Test oder Magnetresonanztomografien (MRTs). Vielmehr beginnt die Therapie erst, wenn Sie Beschwerden haben und es werden nur diese behandelt. Somit besitzt das beobachtende Abwarten palliativen Charakter. Eine Palliativtherapie soll die Symptome lindern, das Tumorwachstum bremsen, die Lebensqualität verbessern beziehungsweise aufrechterhalten und die Lebenszeit verlängern.
Das Watchful Waiting kann für manche Männer eine Möglichkeit sein, weil sie oft erst in höherem Lebensalter an Prostatakrebs erkranken. Im Schnitt ist ein Mann 71 Jahre alt, wenn er die Diagnose Prostatakrebs erhält, berichtet die Deutsche Krebshilfe. Oft ist der bösartige Tumor in der Prostata zudem wenig aggressiv und wächst nur langsam. Ärzte und Ärztinnen gehen deshalb davon aus, dass der Prostatakrebs den Männern zu Lebzeiten wahrscheinlich keine Nachteile bringt. Bei der Watch-and-Wait-Strategie beobachten Ärztinnen und Ärzte den Prostatakrebs zwar langfristig, behandeln ihn aber nicht mit den oft belastenden Krebstherapien. Dazu gehören zum Beispiel die Operation, Bestrahlung oder Chemotherapie.
Sowohl beim Watchful Waiting als auch bei der Aktiven Überwachung steht die Lebensqualität im Zentrum. Intensive Krebstherapien sind oft mit Nebenwirkungen verknüpft, die das Wohlempfinden und die Lebensqualität beeinträchtigen. Dazu gehören zum Beispiel die Erektile Dysfunktion und die Inkontinenz, unter denen viele Männer nach den Krebstherapien leiden. Diese und andere unerwünschte Wirkungen ersparen Sie sich sowohl beim Watchful Waiting als auch (vorübergehend) beim Prinzip der Aktiven Überwachung.
Aktive Überwachung Lesen Sie, wie die Active Surveillance bei Prostatakrebs funktioniert, welche Unterschiede es zum Watchful Waiting gibt und welche Vor- und Nachteile sie hat. | ![]() |
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Für wen kommt Watchful Waiting in Frage?
Das Watchful Waiting eignet sich vor allem für Männer in höherem Lebensalter, die an einem lokal begrenzten, wenig aggressivem Prostatakrebs erkrankt sind und die mutmaßlich eine Lebenserwartung von unter zehn Jahren haben. Diese Bestimmung der verbleibenden Lebenszeit ist jedoch immer nur eine Schätzung, die Sie gemeinsam mit Ihrem Behandlungsteam besprechen müssen.
Bei der Abschätzung der Lebenserwartung spielen das Lebensalter, Begleiterkrankungen, die Gebrechlichkeit und der mentale Status eine Rolle. Es gibt verschiedene Instrumente, mit denen sich die Schwere der Begleiterkrankungen und die Gebrechlichkeit abzuschätzen lassen.
Der mentale Status spielt ebenfalls in die Entscheidung für oder gegen eine aktive Therapie hinein. So kann zum Beispiel eine unnötige Hormontherapie eine bestehende Demenz erheblich verschlechtern. Ob Anzeichen für eine Demenz vorliegen, lässt sich durch Tests ebenfalls einschätzen.
Manche Männer haben neben dem Prostatakrebs zusätzlich noch eine oder mehrere schwere Grunderkrankungen, die sich auf die Lebenserwartung auswirken können. Diese können manchmal weitaus gefährlicher sein als ein langsam wachsender Prostatakrebs. Männer sterben dann vielleicht nicht an ihrem Prostatakarzinom, sondern an einer ganz anderen Krankheit. Die häufigsten Todesursachen sind – wie in der gesamten Bevölkerung – Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dazu gehören etwa ein Herzinfarkt, eine Herzschwäche oder eine Schlaganfall.
Auch ein schlechter körperlicher Allgemeinzustand kann ein Argument für den Watchful Waiting und den Verzicht auf intensive, auf die Heilung anzielende Krebstherapien sein. Nicht nur Ihr Lebensalter zählt, sondern auch ihr biologisches Alter. Das Watchful Waiting kann außerdem für Männer mit fortgeschrittenem Prostatakrebs eine Möglichkeit sein. Sie erhalten dann eine palliative Behandlung ihrer Symptome.
Wie läuft das Watchful Waiting bei Prostatakrebs ab?
Beim Watchful Waiting kontrollieren Ärztinnen und Ärzte den Prostatakrebs nicht in regelmäßigen Zeitabständen, zum Beispiel per PSA-Test, Tastuntersuchung oder bildgebenden Verfahren wie einer MRT. Diese können laut der Leitlinie „Prostatakarzinom“ die Angst steigern und als Trigger für unnötige Krebstherapien dienen. Wichtig seien daher eine psychoonkologische Begutachtung und eventuell auch Betreuung.
Die Heilung des Prostatakarzinoms steht beim beobachtenden Abwarten nicht im Vordergrund. Vielmehr gehen Sie von selbst zu Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt, wenn Sie Beschwerden verspüren. Sie behandeln dann nur die Symptome und versuchen, diese mit geeigneten Therapien zu lindern. Meist kommt die Hormontherapie zum Einsatz. Welche Medikamente ausgewählt werden, hängt von der Schwere Ihrer Symptome ab.
Anders ist es bei der Aktiven Überwachung: Hier gehen Sie in regelmäßigen, genau festgelegten Zeitintervallen in Ihre Arztpraxis. Sie unterziehen sich häufiger einem PSA-Test, der Tastuntersuchung, Biopsien oder einer Magnetresonanztomografie (mpMRT). Obwohl bei der Active Surveillance zunächst keine Behandlung erfolgt, ist das Ziel immer die Heilung des Prostatakrebses. Wächst der bösartige Tumor in der Prostata weiter, beginnt die Krebstherapie. Manchmal erwägen Ärztinnen und Ärzte im Verlauf der Aktiven Überwachung einen Wechsel zur Watchful Waiting-Strategie. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn weitere Grunderkrankungen hinzugekommen sind.
Auf welche Symptome soll ich beim Watchful Waiting achten?
Weil Ärztinnen und Ärzte beim abwartenden Beobachten nur die Beschwerden behandeln, ist es wichtig, auf bestimmte Symptome zu achten und dann ärztlichen Rat zu suchen.
Solche Symptome können zum Beispiel sein:
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Bei diesen oder anderen Symptomen folgen in der Regel einige Untersuchungen, um zu überprüfen, ob der Prostatakrebs gewachsen ist und sich ausgebreitet hat. Ärztinnen und Ärzte bieten Ihnen eine Behandlung an, zum Beispiel eine Hormontherapie. Sie lässt den Tumor schrumpfen und bremst das Krebswachstum. Die Hormontherapie kann einige Nebenwirkungen mit sich bringen. Auch die Bestrahlung kann eine Möglichkeit bei Symptomen sein, zum Beispiel bei Schmerzen aufgrund von Knochenmetastasen.
Watchful Waiting: Vorteile
Für manche Männer kann das Watchful Waiting eine gute Strategie sein, weil sie ihre Lebensqualität bewahren und keine Nebenwirkungen von Krebstherapien erleben müssen. Bevor Sie sich jedoch für das beobachtende Abwarten entscheiden, lassen Sie sich gut informieren und beraten. Besprechen Sie außerdem alle Vor- und Nachteile mit Ihrem Behandlungsteam. Auch Ihre persönlichen Vorstellungen, Überzeugungen und Präferenzen fließen in die Enscheidung mit ein.
Machen Sie sich vor allem die Tatsache bewusst, dass das Watchful Waiting nicht die Heilung des Prostatakrebses abzielt. Wägen Sie daher gemeinsam mit ärztlichen Team das Für und Wider gut gegeneinander ab. Am besten tun Sie dies zusammen nach dem Prinzip der partizipativen Entscheidungsfindung (engl. Shared Decision Making, SDM). Wenn Sie sich unsicher sind: Sie können sich auch eine Zweitmeinung einholen, dies ist Ihr gutes Patientenrecht. Erst dann treffen Sie Ihre Entscheidung.
Vorteile:
- Übertherapien sind vermeidbar – Sie erhalten keine Behandlungen, die Sie nicht gebraucht hätten, bessere Lebensqualität, mehr Wohlbefinden
- Die Nebenwirkungen von Krebstherapien entfallen. Beispiele: Erektile Dysfunktion oder Inkontinenz durch eine Operation (radikale Prostatektomie) oder Strahlentherapie.
- Sie müssen sich keinen regelmäßigen Untersuchungen unterziehen, beispielsweise Prostatabiopsien oder MRTs.
- Bei Beschwerden gibt es Therapien, zum Beispiel die Hormontherapie oder Strahlentherapie. Allerdings brauchen viele Männer zeitlebens keine Therapien gegen ihren Prostatakrebs.
Watchful Waiting: Nachteile
Wenn Therapien zum Einsatz kommen, liegt der Schwerpunkt auf der Linderung der Symptome und nicht auf der Heilung. Sie helfen nur dabei, den Prostatakrebs unter Kontrolle zu halten. Manchmal gelingt dies sogar für einige Jahre.
- Das Wissen, dass der Prostatakrebs im Körper wachsen und Symptome verursachen könnte, kann psychisch belastend sein. Dies kann die Lebensfreude und Lebensqualität beeinflussen. Allerdings haben viele Männer, die sich Behandlungen unterziehen, diese Sorgen ebenfalls.
- Die Tatsache, der der Prostatakrebs nicht geheilt wird und die Lebenszeit begrenzt ist, kann die Psyche belasten. Auch Partner, Partnerinnen, andere Angehörige und Freunde leiden hier oft mit.
Auch wenn es beim Watchful Waiting keine festgelegten Kontrollintervalle gibt: Ratsam ist es dennoch, alle sechs Monate zur Kontrolle des Prostatatumors Ihren Arzt oder Ihre Ärztin aufzusuchen. Der PSA-Wert und die Tastuntersuchung liefern Anhaltspunkte, wie sich das Prostatakarzinom verhält.
FAQs: Watchful WaitingWie wirkt sich Watchful Waiting auf meine Lebensqualität aus? Es lässt sich nicht pauschal für jeden Mann sagen, wie sich das Watchful Waiting auf die Lebensqualität auswirkt. Positiv empfinden viele, dass sie keine Nebenwirkungen von Krebstherapien haben, zum Beispiel Erektionsstörungen nach einer Operation. Umgekehrt kann sich das Wissen, dass der Prostatakrebs ohne Therapien weiter wachsen kann, negativ auf die Lebensqualität auswirken. Solche Ängste und Sorgen können das Wohlgefühl beeinträchtigen. Muss ich beim Watchful Waiting meinen Lebensstil ändern? Ganz allgemein ist bei einer Krebserkrankung wie Prostatakrebs ein gesunder Lebensstil empfohlen. Ändern sollten Sie Ihre Lebensweise, wenn Sie sich vorher vielleicht ungesund ernährt oder zu wenig bewegt haben. Außerdem sollten Sie nicht rauchen, keinen oder möglichst wenig Alkohol trinken und Stress reduzieren. Dies kann mit einer Entspannungsmethode wie dem Autogenen Training oder Yoga gelingen. Wie gehe ich mit der psychischen Belastung um, mit dem Prostatakrebs zu leben? Es gibt kein Pauschalrezept, wie Sie mit der der psychischen Belastung, dass Sie beim Watchful Waiting mit dem Prostatakrebs leben, umgehen. Suchen Sie sich psychologische Unterstützung, am besten aus der Psychoonkologie. Zertifizierte Prostatakrebszentren bieten diese in der Regel an. Hilfreich können auch Entspannungsmethoden, viel Bewegung und Sport sowie eine gesunde Ernährungsweise sein. Auch Gespräche mit anderen Männern, die ebenfalls an Prostatakrebs erkrankt sind, können die Seele entlasten, zum Beispiel in einer Selbsthilfegruppe. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Krebs beim Watchful Waiting fortschreitet? Die Wahrscheinlichkeit, dass der Krebs ohne Behandlung fortschreitet, lässt sich nicht genau beziffern. Faktoren wie das Stadium des Prostatakarzinoms und die Aggressivität des Tumors spielen hier eine Rolle. Allerdings ist es wahrscheinlich, dass der Prostatakrebs ohne Behandlung wächst und sich ausbreitet. In welchem Zeitraum er dies tut, kann individuell verschieden sein. |
Quellen:
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