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Urologe oder Urologin? Hängt davon ab, wie stark es schmerzt!

03. Mai 2023 | von Ingrid Müller

Bevorzugen Frauen und Männer eher einen Urologen oder eine Urologin, wenn sie Probleme haben? Ob die Vorliebe auf einen Arzt oder einer Ärztin fällt, hängt davon ab, wie sehr das Problem schmerzt, ergab eine neue Studie aus München.

Die Frage, ob sich Menschen mit einem urologischen Problem lieber einen Arzt oder eine Ärztin wünschen, dürfte sich schon mancher einmal gestellt haben. Immerhin geht es um intimste Dinge, und zwar in Wort und Tat. Ärzte und Ärztinnen untersuchen zum Beispiel die Geschlechtsorgane und führen Tastuntersuchungen mit dem Finger über den Darm durch. Das gefällt nicht jedem und ist oft mit großer Scham behaftet, besonders wenn ein Mann einer weiblichen Ärztin gegenüber sitzt  – oder umgekehrt eine Frau einem männlichen Arzt.  Allerdings sind  Frauen durch unzählige Besuche bei Frauenärzten in ihrem Leben schon einiges mehr gewohnt als Männer.

Bei Schmerzen eher zur Urologin

Forschende von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) brachten jetzt mehr Licht in diese spannende Frage. Meist wünschen sich Patientinnen und Patienten einen Urologen des gleichen Geschlechts. Allerdings gibt es Situationen, in denen das Geschlecht wohl nicht mehr so viel zählt.

Manchmal bevorzugen sowohl Männer als auch Frauen einen männlichen Urologen, etwa wenn es peinlich wird. Und bei einem Problem – nämlich bei Schmerzen – würden sich sowohl weibliche als auch männliche Patienten eher einer Urologin zur Behandlung anvertrauen. Wenn es schmerzt, sind vielen Menschen weibliche Ärzte also lieber.  So lauten die wichtigsten Erkenntnisse einer Studie der LMU. Die Ergebnisse stellten sie auf dem Kongress der European Association of Urology (EAU) in Mailand vor.

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Mehr als 1.000 Frauen und Männer befragt

Die Forschenden hatten im Jahr 2021 mehr als 1.000 Patienten und Patientinnen, die wegen urologischer Probleme in die Klinik kamen, mit Hilfe eines Fragebogens befragt. Sie wurden aus vielen verschiedenen Gründen behandelt. Die Teilnehmenden sollten angeben, wie stark die Beschwerden ihr Leben beeinträchtigten und ob sie glaubten, ein Urologe oder eine Urologin würde ihre Probleme besser verstehen.

Etwa drei Viertel der Probanden waren Männer, knapp ein Viertel waren Frauen. Drei Patienten waren non-binär. Deren Anzahl sei  jedoch zu gering gewesen, um statistisch signifikante Aussagen über Menschen non-binären Geschlechts zu treffen, sagt die Forschungsgruppe. Die Studie umfasste Menschen jeglichen Alters, aber die meisten waren älter als 60 Jahre. Vertreten waren zudem Personen jeglichen Bildungsgrades und ökonomischen Status.

Urologe oder Urologin? Zwei Drittel haben eine Präferenz

Ungefähr zwei Drittel aller Studienteilnehmer hatten in mindestens einem Szenario eine Präferenz, was das Geschlecht ihres Urologen anging. Das waren doppelt so viele wie in früheren Umfragen.  Der leitende Studienautor, Dr. Alexander Tamalunas, erklärt: „Frühere Studien -  auch unsere Untersuchung vor wenigen Jahren – wiesen nach, dass nur ungefähr ein Drittel der Patienten eine Vorliebe hat, ob ihr Urologe männlich oder weiblich sein soll.“ Allerdings basierten die damaligen Ergebnisse nur auf einer einzigen Frage zu diesem Thema.

„Die jetzige Studie ist differenzierter. Wir haben überprüft, ob Patienten den unterschiedlichen Geschlechtern verschiedene Fähigkeiten zuschreiben und ob sie einen männlichen oder weiblichen Urologen in gewissen Situationen und abhängig von ihren Symptomen bevorzugen würden. Und das führt zu einer viel größeren Anzahl von Patienten, die eine Präferenz haben.“

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Wenn es peinlich wird, ist der Urologe gefragt

Wenn Patienten und Patientinnen eine Präferenz angaben, dann bevorzugten sie meist einen Urologen ihres eigenen Geschlechts. Allerdings gab es gewissen Situationen, in denen diese Vorliebe nicht mehr galt:

  • Sowohl männliche als auch weibliche Patienten wollten lieber einen Mann als Urologen, wenn ihnen ihr Gesundheitsproblem peinlich war, es ihre Alltagsaktivitäten einschränkte oder ihnen Sorgen und Unannehmlichkeiten bereitete.
  • Dagegen bevorzugten männliche und weibliche Patienten unabhängig vom jeweiligen Gesundheitsproblem eine Frau als Urologin, wenn sie Schmerzen hatten.

 

Auch bei Beratungen und Operationen wünschten sich ungefähr ein Drittel der Patientinnen und Patienten ein bestimmtes Geschlecht ihres Arztes:

  • Bei Beratungen wollten 60 Prozent einen Urologen und 40 Prozent eine Urologin.
  • Bei Operationen lagen die männlichen Urologen noch weiter vorn – 80 Prozent wünschten sich einen männlichen Operateur und nur 20 Prozent eine weibliche Operateurin.

 

Männer neigten stärker dazu, männliche Urologen zu favorisieren. Sie schrieben ihnen mehr praktische Fähigkeiten zu als den Ärztinnen. Frauen nehmen dagegen eher an, dass weibliche Urologinnen empathischer seien als männliche Urologen. Männliche und weibliche Patienten sagten gleichermaßen, dass ein Urologe des gleichen Geschlechts ihren Körper besser verstehen würde. Sie selbst täten sich außerdem leichter damit, offen mit dem Arzt oder der Ärztin gleichen Geschlechts über ihr Gesundheitsproblem zu sprechen.

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Urologie wird weiblicher

Die Urologie braucht also männliche und weibliche Ärzte zugleich, um für jedes Problem den richtigen Ansprechpartner zu finden. Doch die Urologie ist immer noch ein Fachgebiet, das vor allem Männer dominieren. Frauen sind in dieser medizinischen Disziplin nach wie vor unterrepräsentiert – obwohl sie in den letzten Jahren aufgeholt haben.

In der Urologie arbeiten inzwischen immer mehr Frauen, wie die aktuelle Ärztestatistik der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) für 2022 zeigt. Für  die Urologie weist die KBV einen Frauenanteil von 16,8 Prozent aus. Zum Vergleich: Im Jahr 2008 waren es nur 7,6 Prozent. Im Fachgebiet der Urologie ist der Frauenanteil besonders gewachsen: Von 2013 (9,8 Prozent) bis 2022 (16,8 Prozent) ließ sich ein Plus von 77,8 Prozent verzeichnen. 

Ganz allgemein wird die Medizin „weiblicher“. Der Anteil der Frauen unter den ambulant tätigen Ärzten steigt seit Jahren kontinuierlich an: Im Jahr 2022 liegt der Prozentsatz laut der aktuellen KBV-Statistik mit 50,7 Prozent erstmals bei mehr als der Hälfte. Bei den unter 40-jährigen ambulant Tätigen beträgt der Frauenanteil sogar bereits knapp 60 Prozent.

Urologische Probleme sind oft ein Tabuthema

Die aktuelle Studie zeige, dass es ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Urologen geben müsse, betonen die Forschenden. Im Krankenhaus der LMU gebe es eine etwa gleich große Anzahl an männlichen und weiblichen Urologen. Das sei aber bei weitem noch nicht in jedem Krankenhaus der Fall, so Tamalunas.

„Die Urologie umfasst äußerst sensible Probleme, zum Beispiel die Erektile Dysfunktion, Inkontinenz oder Geschlechtskrankheiten. Und diese sind höchst persönlich und manchmal auch peinlich für die Patienten und Patientinnen.“ Für  viele sei es schwierig, offen mit einem Urologen oder einer Urologin darüber zu sprechen. 

Dazu kämen noch kulturelle Besonderheiten und Empfindsamkeiten, die ein offenes Gespräch über Tabuthemen noch mehr erschwerten. Tamalunas betont: „Es ist besonders wichtig, dass wir jegliche Hemmnisse, auf die wir einen Einfluss haben, auch beseitigen - wie das Geschlecht eines Arztes. Außerdem müssen wir Frauen ermutigen und sie dabei unterstützen, Urologinnen zu werden.“

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Bei gefährlichen Krankheiten spielen Vorlieben keine Rolle

Die Studienergebnisse unterstreichen auch die persönlichen Erfahrungen von  Dr. Carme Mir Maresma vom EAU Scientific Congress Office. Sie sagt: „Die Präferenz eines Patienten für einen Urologen oder eine Urologin hängt von seinem Gesundheitszustand ab. Ich behandle hauptsächlich Patienten mit Krebs, die oft sehr krank sind und sich normalerweise nicht darum kümmern, ob sie ein Mann oder eine Frau behandelt – solange sie gut qualifiziert sind.“

Dagegen neigten Patienten, deren Problem nicht lebensbedrohlich sei, eher dazu, eine Präferenz für einen Arzt oder eine Ärztin auszusprechen. „Vermutlich spielen hier auch kulturelle Faktoren eine Rolle. Es wäre deshalb interessant, diese Studie in anderen Ländern zu wiederholen, um die Zusammenhänge besser zu verstehen“, so Maresma.

In der Urologie gleicht sich die Anzahl an männlichen und weiblichen Ärzten schrittweise aus – allerdings eher auf den niedrigen Stufen der Karriereleiter. Die höheren Positionen in der Urologie besetzen nach wie vor deutlich mehr Männer. „Ich glaube, das wird sich in den nächsten zehn Jahren ändern“, sagt Maresma.

Quellen:

  • European Association of Urology (EAU), https://uroweb.org/press-releases/male-or-female-urologist-depends-how-much-it-hurts-research-shows (Abruf: 2.5.2023)
  • Deutsche Gesellschaft für Urologie (DGU), https://www.urologenportal.de/newsboard-fachbesucher-artikel.html?tx_ttnews%5BbackPid%5D=654&tx_ttnews%5Btt_news%5D=3472&cHash=3c5aa6681dbde01ff953a655bd5e6105 (Abruf: 2.5.2023)
  • Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), https://gesundheitsdaten.kbv.de/cms/html/16396.php (Abruf: 2.5.2023)