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Corona und OP-Engpässe – Strahlentherapie bei Prostatakrebs als Alternative

24. Januar 2022 | von Ingrid Müller

In der Corona-Pandemie müssen Kliniken planbare Operationen manchmal aufschieben. Auch Krebskranke kann dies betreffen. Für manche Männer mit Prostatakrebs kann die Strahlentherapie jedoch eine Alternative zum Warten auf die OP sein.

Während der Corona-Pandemie müssen Krebskranke nach ihrer Diagnose manchmal auf ihre Operation warten. Denn die Krankenhäuser müssen Intensivkapazitäten für Patienten mit Covid-19 bereithalten. In manchen Regionen Deutschlands, etwa in Bayern, hat es schon angespannte Situationen gegeben, in denen die Ressourcen der Intensivstationen an ihre Grenzen geraten sind oder ausgeschöpft waren. Per Hubschrauber – fliegenden Intensivstationen – wurde schwerstkranke Menschen mit Covid-19 in andere Bundesländer transportiert, die noch freie Intensivbetten hatten. Wenn in Corona-Zeiten Notfallpläne greifen, bedeutet dies auch, dass Krankenhäuser planbare Operationen aufschieben. 

 

Wegen Corona -  Warten auf die Krebsoperation

Zwar fallen Krebsoperationen offiziell nicht in die Kategorie der planbaren Operationen. Dass aber die Gefahr der OP-Aufschiebung während der Corona-Pandemie für Krebskranke nicht aus der Luft gegriffen ist, zeigt eine aktuelle Studie eines Covid-Foscherteams. 

An der Untersuchung nahmen gut 20.000 Menschen über 18 Jahre  teil, die an einer von 15 verschiedenen Krebsarten erkrankt waren, darunter auch Prostatakrebs. Sie wurden während der Corona-Pandemie in 466 Kliniken in 61 Ländern wegen ihrer Krebserkrankung behandelt und hatten den Therapievorschlag einer Operation erhalten. Die Forschenden beobachteten die Teilnehmenden bis zu dem Zeitpunkt, an dem die Operation stattfand. Die Ergebnisse der Studie veröffentlichten die Forschenden im renommierten Fachmagazin „Lancet“.  

Radikale Prostatektomie

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Mehr als 2.000 (ca. zehn Prozent) der Krebskranken, die auf ihre OP warteten, hatten auch nach durchschnittlich 23 Wochen ihre Operation noch nicht bekommen. Bei allen stand der Grund für die OP-Verschiebung im Zusammenhang mit Covid-19. Eine Rolle dabei spielte auch die Strenge des Lockdowns. In Regionen mit einem kompletten Lockdown erhielt einer von sieben Patienten seine geplante Operation nicht und musste eine längere Wartezeit hinnehmen. 

„Auch wenn sich kurzfristig keine Auswirkungen auf das klinische Therapieergebnis gezeigt haben – langfristig können diese verzögerten Operationen jedoch zu einem verminderten Überleben führen“, schreiben die Autoren und Autorinnen. 

 

Prostatakrebs: Strahlentherapie als Alternative zur OP

Bei Prostatakrebs ist eine Operation – die radikale Prostatektomie – eine der wichtigsten Behandlungsmöglichkeiten, die auf die Heilung der Krebserkrankung abzielt. Bei diesem Eingriff entfernen Ärzte und Ärztinnen die Prostata samt Tumor. Doch eine längere Wartezeit auf eine OP kann eventuell die Prognose bei einer Krebserkrankung verschlechtern. Eine hinausgezögerte Krebsbehandlung könnte das Risiko für einen Rückfall (Rezidiv) erhöhen oder die Heilungschancen schmälern. 

Die Deutsche Gesellschaft für Radioonkologie e.V. (DEGRO) warnt daher vor einer Unterversorgung von Krebskranken, die aus ihrer Sicht schon vielerorts Realität sei. Für Menschen mit Krebsarten wie dem Prostatakrebs sei die Strahlentherapie oft eine gleichwertige Alternative zu Operation, betont die DEGRO.  Studien zeigten, dass die Bestrahlung bei einem Prostatakarzinom in vielen Fällen ebenso wirksam sei wie eine Op. Die S3-Leitlinie zu Prostatakrebs stuft die Strahlentherapie daher in bestimmten Fällen als gleichwertig zur radikalen Prostatektomie ein. Sie solle in der Corona-Pandemie vermehrt als Ersttherapie oder zumindest als „Brücken-Therapie“ um Einsatz kommen, fordert die Gesellschaft.

Strahlentherapie

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Omikron: Hunderttausende Neuinfektion pro Tag

Eventuell ist in den nächsten Wochen tatsächlich ein „Plan B“ nötig, wenn geplante Operationen ausfallen könnten. Denn dank der neuen Corona-Variante Omikron wird sich die Lage vermutlich weiter verschärfen. Bis Mitte Februar rechnet Gesundheitsminister Karl Lauterbach in Deutschland mit mindestens 400.000 Corona-Neuinfektionen pro Tag. „Mitte Februar wird die Welle ungefähr ihren Höhepunkt haben“, sagte der SPD-Politiker in der ZDF-Sendung Markus Lanz. Dass diese Szenarien so eintreten, sei zwar nicht gesagt, sie hätten aber „die größte Wahrscheinlichkeit“, erklärt Lauterbach. 

Auch wenn dank Booster-Impfung deutlich weniger Menschen schwer erkranken. Allein durch die erwartete sehr hohe Anzahl an Neuinfektionen gehen Experten und Expertinnen davon aus, dass die Kliniken in dieser Phase an ihre Grenzen geraten – beziehungsweise weit darüber hinausgehen müssen. Aber so ganz genau kann das derzeit niemand sagen. Betroffen sind aber nicht nur die Intensivstationen. Schon jetzt habe die Belastung auf den Normalstationen massiv zugenommen, warnt die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DGK).

„Wenn Omikron dazu führt, dass Krebsoperationen verschoben werden müssen, kann die Strahlentherapie in dieser angespannten Lage für Entlastung sorgen“, meint Prof. Stephanie E. Combs, Pressesprecherin der DEGRO.

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Prostatakrebs: „Strahlen sind nicht schädlich“

Auch wenn die Strahlentherapie in vielen Fälle eine Alternative zur Operation sein kann. Viele Männer entscheiden sich dennoch für eine OP als erste Behandlungsmaßnahme gegen den Prostatakrebs. „Einfach, weil sie den Krebs – salopp gesagt – schnell loswerden wollen“, glaubt Combs. Außerdem sei die Bestrahlung oft noch mit Vorurteilen und diffusen Ängsten behaftet. „Strahlen sind aber nicht schädlich, sondern können Tumorleiden effektiv heilen“, erklärt Combs. 

Vor allem in Kombination mit den Krebsmedikamenten sei die Bestrahlung in den letzten Jahren immer präziser und personalisierter geworden. So ließen sich die Strahlendosis und das Bestrahlungsvolumen individuell anpassen und die Strahlenbelastung so gering wie möglich halten.  

 

Strahlentherapie ans Pandemiegeschehen anpassen

Von Vorteil ist es auch, dass die Strahlentherapie keine Intensivkapazitäten in den Kliniken bindet und daher unabhängig von der Pandemielage funktioniert. Sie lässt sich jenseits des Pandemiegeschehens auch ambulant durchführen. 

Bei einer Überlastung der Geräte oder des Personals bestehe immer noch die Möglichkeit, das sogenannte Fraktionierungsschema zu ändern und so mehr Kapazitäten zu schaffen, sagt Combs. Statt die Krebskranken öfters mit geringeren Dosen zu bestrahlen, könne die Strahlentherapie auch mit weniger Sitzungen, aber höheren Dosen erfolgen. Entscheidend für den Therapieerfolg sei die verabreichte Gesamtdosis. 

Prof. Cordula Petersen, Präsidentin der DEGRO, appelliert daher an ihre Kolleginnen und Kollegen aus der Onkologie, die Strahlentherapie bei der Therapieberatung frühzeitig als sinnvolle Alternative zur Operation zu berücksichtigen: „Wenn die Daten zeigen, dass OP und Strahlentherapie vom Ergebnis her gleichwertig sind, kann man angesichts der epidemischen Lage und Versorgungsengpässen auf den Intensivstationen den Menschen guten Gewissens zur Strahlentherapie als Erstlinientherapie raten.“

Aber selbst wenn dies nicht der Fall sei, gebe es häufig die Möglichkeit, das Therapieregime umzustellen, also zunächst mit der Strahlentherapie zu beginnen und anschließend zu operieren. „Die veränderte Therapiereihenfolge führt in vielen Fällen nicht zu Überlebenseinbußen und kann in der jetzigen Situation sinnvoll sein“, meint Petersen. 

Quellen: