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Prostatakrebs: Operation ohne Biopsie

04. Februar 2022 | von Ingrid Müller

Eine radikale Prostatektomie bei Prostatakrebs könnte vielleicht zukünftig ohne vorherige Biopsie möglich sein. Die Kombination aus zwei bildgebenden Verfahren könnte eine Alternative zur Gewebeentnahme werden, ergab eine kleine Studie aus München. 

Die Operation – die radikale Prostatektomie – ist ein Standard in der Behandlung von Prostatakrebs. Dabei entfernen Ärztinnen und Ärzte die gesamte Prostata samt bösartigem Tumor. Normalerweise findet vor der Prostata-Op eine Gewebeentnahme aus den verdächtigen Bereichen der Vorsteherdrüse statt, die Biopsie. Die anschließende Analyse unter dem Mikroskop zeigt, ob es sich tatsächlich um Prostatakrebs handelt. Außerdem lassen sich  die Art, Aggressivität, Größe und das Ausmaß des Prostatakrebses bestimmen. Daran orientiert sich in der Regel auch die Behandlung des Prostatakarzinoms. 

Forschende vom Klinikum rechts der Isar in München fanden jetzt in einer kleinen Fallstudie heraus, dass die Prostatektomie womöglich auch ohne vorherige Biopsie möglich ist – und zwar durch den Einsatz zweier moderner bildgebender Verfahren. Die Ergebnisse ihrer Studie veröffentlichten sie im Fachmagazin European Urology

Prostatabiopsie

Lesen Sie, wann eine Biopsie nötig ist, wie sie abläuft und welche Risiken sie birgt. Außerdem: Beeinträchtigt die Biopsie die Erektionsfähigkeit und wie lässt sich die Angst lindern

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mpMRT und PSMA-PET bringen Licht in den Prostatakrebs 

An der Untersuchung nahmen 25 Männer teil, die sich keiner Biopsie unterziehen wollten. Sie alle hatten erhöhte PSA-Werte und waren mehr als 70 Jahre alt. Das Prostatakarzinom diagnostizierten die Krebsspezialisten in diesen Fällen mit Hilfe zweier Methoden: einerseits der multiparametrischen Magnetresonanztomografie (mpMRT) und andererseits dem PSMA-PET

 

Was ist mpMRT?

Die mpMRT kombiniert drei verschiedene Aufnahmeverfahren miteinander und liefert sehr detaillierte Bilder aus der Prostata. Ein Prostatakrebs lässt sich so mit hoher Sicherheit aufspüren - aber auch ausschließen. Die mpMRT gilt als sehr empfindliches Verfahren in der Diagnostik von Prostatakrebs. Denn mit Hilfe der Prostataaufnahmen lässt sich der Prostatakrebs nicht nur genau lokalisieren, sondern Ärzte können auch Aussagen über die Ausdehnung und Aggressivität des Tumors treffen. Das bildgebende Verfahren lässt also auch Rückschlüsse auf die Biologie des Tumors zu.

In neuen Leitlinien zu Prostatakrebs hat die mpMRT jetzt einen besonderen Stellenwert bekommen. Ärztinnen und Ärzte sollen sie zum Beispiel in der Erstdiagnostik von Prostatakrebs einsetzen und sie zusätzlich zur Biopsie anwenden. Durch die Kombination beider Verfahren - die sogenannte "Fusionsbiopsie" - lassen sich nämlich etwas mehr Prostatakarzinome aufspüren als mit jeweils einer Methode alleine.

mpMRT

Lesen Sie, wie die mpMRT in der Diagnostik von Prostatakrebs genau funktioniert und welche Vor- und Nachteil sie hat. 

 

Was ist PSMA-PET?

Hinter dem Kürzel „PSMA“ verbirgt sich ein Eiweiß namens prostataspezifisches Membranantigen. Es kommt auf Prostatakrebszellen vermehrt vor. Die Abkürzung “PET” steht für die Positronenemissionstomografie – eine bildgebende Untersuchung, bei der sich besonders stoffwechselaktive Bereiche im Körper sichtbar machen lassen. Auch Krebszellen gehören dazu. Weil sie sich schnell teilen und vermehren, ist ihr Stoffwechsel besonders aktiv. Bei einer PET-Untersuchung kommen radioaktiv markierte Substanzen zum Einsatz, die sogenannten Tracer oder Radionuklide. Beispiele sind 68-Gallium (68Ga) oder 18-Fluor (18F). Sie werden in die Vene injiziert und heften sich spezifisch an das PSMA.

PSMA-PET/CT

Erfahren Sie, wie ein PSMA-PET/CT genau funktioniert und was Ärzte und Ärztinnen aus den Bildern ablesen können. Außerdem alles über PSMA in der Diagnostik und Behandlung von Prostatakebs.

 

Prostata-Op ist auch ohne Biopsie möglich

Bei allen 25 Männern, die an der Münchener Studie teilgenommen hatten, ergab sich aus den Aufnahmen ein hoher Verdacht auf Prostatakrebs. Im mpMRT hatten sie eine PI-RADS-Score von  ≥ 4. Dies bedeutet, dass das Vorliegen eines bösartigen Tumors wahrscheinlich beziehungsweise sehr wahrscheinlich ist. Bei dieser Klassifikationen gilt: Je höher die Zahl ist, desto wahrscheinlicher ist es, dass ein klinisch auffälliger Prostatakrebs vorliegt. 

Im PSMA-PET ergab sich ein PET-Score von ≥ 4 auf der fünfstufigen Likert-Skala. Bei dieser Klassifikation kommt die subjektive Einschätzung der Untersucher zum Tragen, mit welcher Wahrscheinlichkeit ein Prostatakrebs vorliegt.  Die Ärzte und Ärztinnen konnten zeigen, dass sich durch die  Kombination beider Methoden Männer identifizieren lassen, bei denen eine radikale Prostatektomie auch ohne Biopsie möglich war.

Vielleicht lässt sich durch die Kombination von mpMRT mit der PSMA-PET zukünftig bei ausgewählten Patienten eine Biopsie vor der Prostata-Op vermeiden. Sie könnten sich dann gleich ohne Gewebeentnahme der Behandlung unterziehen, wenn beide bildgebenden Verfahren auffällige Befunde ergeben. 

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mpMRT und PSMA-PET können Prostatakrebs aufdecken

Nach der radikalen Prostatektomie analysierten Pathologen das entnommene Prostatagewebe im Labor unter dem Mikroskop. Dabei lässt sich die Art, Aggressivität, Größe und Ausbreitung eines bösartigen Tumors feststellen. Bei allen 25 Männern ließ sich mit Sicherheit ein Prostatakarzinom nachweisen. Nach der Klassifikation der International Society of Urological Pathology ergab sich ein ISUP-Grad ≥ 2. Genauer aufgeschlüsselt hatten acht Patienten einen ISUP-Grad 2, 15 einen ISUP-Grad 3 und zwei einen ISUP-Grad 5. Das ISUP-Klassifikationssystem umfasst fünf Grade. Bei Grad 1 ist der Prostatakrebs am wenigsten und bei Grad 5 am meisten aggressiv. 

 

Bildgebende Methoden „derzeit keine Standardverfahren“

„Die Ergebnisse unserer Fallstudie könnten eine Diskussion in Gang setzen, ob die radikale Prostatektomie ohne vorherige Biopsie bei gut ausgewählten Patienten eine Möglichkeit ist“, schreiben die Studienautorinnen und -autoren. Dennoch sei die Aussagekraft ihrer Untersuchung eingeschränkt. Erstens, weil die Analyse nur im Rückblick erfolgte, und zweitens, weil mit 25 Männern nur eine kleine Zahl an Patienten teilgenommen hatte. 

Die Forschenden schreiben daher: „Wir möchten klar betonen, dass diese Praxis derzeit nicht als Standardverfahren anzusehen ist. Es sind weitere Studien mit größeren Patientenzahlen innerhalb eines prospektiven Studiendesigns nötig, um diese Ergebnisse zu bestätigen.“

Quellen: