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Aggressivität von Prostatakrebs: KI hilft bei der Bewertung

09. Dezember 2025 | von Ingrid Müller

Die Künstliche Intelligenz KI könnte bei Prostatakrebs mithelfen, die Aggressivität von Krebszellen besser einzuschätzen und den Gleason-Score zuverlässiger zu ermitteln. 

Die Frage, wie aggressiv Prostatakrebs ist, spielt für die Wahl der passenden Krebsbehandlung und auch für die Prognose eine wichtige Rolle. Diese Einschätzung, wie schnell sich Krebszellen teilen und vermehren, nehmen Pathologinnen und Pathologen normalerweise anhand von Gewebeanalysen im Labor unter dem Mikroskop vor. Das Gewebe kann von einer Prostatabiopsie, aber auch von einer Operation stammen. Sie bestimmen den Gleason-Score, der Rückschlüsse auf die Aggressivität eines Prostatakarzinoms zulässt. 

Doch diese Einschätzung ist bis zu einem gewissen Maß subjektiv. Mancher Pathologe schätzt den Gleason-Score anders ein als ein anderer. Ein internationales Forschungsteam unter der Leitung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) entwickelte jetzt ein neues KI-Modell, das die Diagnostik von Prostatakarzinomen transparenter und weniger fehleranfällig machen soll. „Bisherige KI-Modelle können zwar Vorhersagen zur Gleason-Bewertung treffen, liefern aber oft keine verständliche Begründung“, erklärt Titus Brinker vom DKFZ. Die Künstliche Intelligenz erklärt also nicht, warum und wie sie zu ihren Schlüssen gekommen ist. Die schränke die Akzeptanz der KI durch Ärztinnen und Ärzte ein, so Brinker weiter. Doch diese Akzeptanz ist laut Umfragen besonders wichtig.

Blick in die Pathologie

Was passiert mit der Prostata in der Pathologie und wie wird ein pathologischer Befund erstellt? Das zeigen zwei Videos, gedreht in der Würzburger Pathologie.

Prostata Hilfe Deutschland: Laborgeräte aus Glas
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GleasonXAI – Künstliche Intelligenz für bessere Analyseergebnisse

An der Studie waren 54 Pathologinnen und Pathologen aus zehn Ländern beteiligt, unter anderem aus Deutschland, den USA, Kanada und der Schweiz. Die Expertinnen und Experten brachten im Durchschnitt 15 Jahre klinische Erfahrung mit. 

Die Forschungsgruppe verknüpfte 1.015 Gewebeproben mit detaillierten Erklärungen von pathologischen Mustern. „Annotiert“ ist der Fachbegriff für diese Zuordnung. Das neu entwickelte KI-System basiert direkt auf Beschreibungen aus der Pathologie, die Fachleute regelmäßig verwenden. Es nutzt keine nachträglichen Erklärungsansätze. Das Ergebnis ist „GleasonXAI“ -  eine KI, die interpretierbare Entscheidungen bietet, ähnlich wie ein Pathologe oder eine Pathologin sie liefern würde.

Das Forschungsteam nutzte zudem sogenannte „Soft Labels“, um die Unsicherheiten zwischen einzelnen pathologischen Bewertungen von Gewebeproben abzubilden. Dennoch konnte die KI reproduzierbare Ergebnisse erzielen. Im direkten Vergleich mit konventionellen Modellen erreichte GleasonXAI eine gleichwertige oder bessere Genauigkeit, bei gleichzeitig erhöhter Transparenz.

Die Studie bietet nun eine der umfangreichsten Sammlungen an erklärungsbasierten Gewebeannotationen. Neben der Entwicklung des KI-Modells veröffentlicht das Forschungsteam auch den bislang größten frei verfügbaren Datensatz mit erklärungsbasierten Annotationen für Gleason-Muster. Dies soll die Forschung an erklärbarer KI weiter vorantreiben.

„Wir haben erstmals ein KI-System entwickelt, das die charakteristischen Gewebemerkmale der Gleason-Muster erkennt und sich ähnlich wie ein Pathologe erklärt“, sagt Gesa Mittmann, Koautorin der Studie. „Das soll Vertrauen und Akzeptanz in die KI im klinischen Alltag steigern.“

KI soll Nachwuchs in der Pathologie unterstützen

Die Ergebnisse zeigen, dass sich eine erklärbare KI ohne Leistungseinbußen praxisnah umsetzen lässt. Dies könnte den Einsatz in der Pathologie beschleunigen. Dies sei gerade in Zeiten wichtig, in denen die Zahlen von Krebserkrankungen steigen und zugleich die Facharztkapazitäten sinken.

Darüber hinaus unterstütze das Modell auch die Ausbildung: „Die erklärbaren Segmentierungen können besonders Nachwuchs-Pathologinnen und -Pathologen helfen, typische Muster zu verstehen und schneller sichere Diagnosen zu stellen“, betont Brinker.

Wie gut erkennt KI Prostatakarzinome?

Der Urologe und Informatiker Dr. Fabian Siegel erklärt im Video, wie sich KI in der Diagnostik und Therapie einsetzen lässt. Hören- und lesenswert!

Vortrag zu Prostatakrebs und künstlicher Intelligenz, organisiert von Prostata Hilfe Deutschland

So denken Patientinnen und Patienten über KI in der Medizin

Auch wenn die KI schon in vielen Bereich der Medizin Einzug gehalten hat, allen voran in die Krebsdiagnostik und in der Planung von Behandlungen – flächendeckend akzeptiert unter Patientinnen und Patienten ist die KI noch nicht, wie eine Studie der Technischen Universität München (TUM) Klinikum rechts der Isar herausfand.  Befragt wurden rund 14.000 Patientinnen und Patienten in 74 Kliniken in 43 Ländern. Sie hatten radiologische Abteilungen besucht, um Röntgenuntersuchungen, eine Computertomografie (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) durchführen zu lassen. 

Die wichtigsten Ergebnisse:

  • Eine Mehrheit von 57,6 Prozent stufte den Einsatz von KI in der Medizin grundsätzlich als positiv ein. 
  • Männer hatten mit 59,1 Prozent Zustimmung eine etwas positivere Haltung als Frauen mit 55,6 Prozent. 
  • Je höher die Technikaffinität und das selbsteingeschätzte Verständnis von KI war, desto höher was auch die Zustimmung. Unter den Befragten, die angaben,  viel über KI zu wissen, beurteilten 83,3 Prozent deren Einsatz in der Medizin grundsätzlich als positiv.

 

Die Einstellung gegenüber der KI hing jedoch auch vom persönlichen Gesundheitszustand ab. Je schwerer die eigene Erkrankung war, desto ablehnender war die Haltung gegenüber der KI. Mehr als die Hälfte der Patientinnen und Patienten mit einem sehr schlechten Gesundheitszustand etikettierten die KI in der Medizin als „sehr negativ“ oder „eher negativ“ (26,6 beziehungsweise 29,2 Prozent). Unter den Befragten mit einem sehr guten Gesundheitszustand lagen diese Werte dagegen nur bei 1,3 beziehungsweise 5,3 Prozent.

Für gut 70 Prozent war es wichtig, dass die medizinische KI „erklärbar“ ist und ihre Ergebnisse nachvollziehbar sind. Knapp 73 Prozent der Befragten wollten, dass die Künstliche Intelligenz nur als Werkzeug eingesetzt wird und die endgültige Entscheidung bei Ärztinnen und Ärzte liegt. Diagnosen, die ausschließlich die KI trifft, fanden nur 4,4 Prozent gut. 6,6 Prozent wünschten sich eine Diagnose vollständig ohne KI. Die Erklärbarkeit müsse von Beginn an mitgedacht werden, so ein Fazit der Forschenden.

So stehen Ärztinnen und Ärzte der KI gegenüber 

Es gibt mehrere Umfragen, welche die Einstellung von Ärztinnen und Ärzten gegenüber der KI ans Licht bringen. Eine Online-Umfrage im Auftrag des Portals Jameda unter 200 Ärzten und Ärztinnen zeichnete zum Beispiel folgendes Bild: 

  • 48 Prozent stuften die KI als Chance im Patientenkontakt ein. Für 27 Prozent bestehen sowohl Chancen als auch Risiken, während knapp 22 Prozent der Befragten vor allem Risiken sieht.
  • 52,5 Prozent der Mediziner erwarten sich Vorteile durch die KI im Hinblick auf die Patientendokumentation. Für 45 Prozent liegt der größte Nutzen in der Terminplanung.
  • Für weniger relevant halten sie die KI als Entscheidungshilfe bei Diagnosen und Therapien (35,9 Prozent). Keinen KI-Nutzen sehen hier 17,2 Prozent der befragten Ärztinnen und Ärzte.

 

Quellen:

  • G. Mittmann, S. Laiouar-Pedari, H. A. Mehrtens et al. Pathologist-like explainable AI for interpretable Gleason grading in prostate cancer. Nature Communications 2025, DOI: https://doi.org/10.1038/s41467-025-64712-4
  • Technische Universität München (TUM), https://mri.tum.de/de/ueber-uns/pressemitteilungen/kuenstliche-intelligenz/wie-patientinnen-und-patienten-zu-medizin-ki (Abruf: 8.12.2025)
  • Deutsches Ärzteblatt, https://www.aerzteblatt.de/news/breite-akzeptanz-fur-anwendung-von-kunstlicher-intelligenz-im-gesundheitswesen-827eeb11-722e-4c9d-addc-3aa73d571cd1 und https://app.civey.com/dashboards/ki-im-arzt-patienten-verhaltnis-21998 (Abruf: 9.12.2025)