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Prostatakrebs früh erkennen: Wie gut ist der risikoangepasste PSA-Test?

01. April 2022 | von Ingrid Müller

Die Bestimmung des PSA-Wertes ist für gesunde Männer in Deutschland eine freiwillige Sache, die sie selbst bezahlen müssen. Eine Studie untersuchte jetzt, wie gut das risikoadaptierte PSA-Screening ist. Dabei spielen die individuellen Risikofaktoren eines Mannes mit. Es gibt erste Antworten.

Die Früherkennung von Prostatakrebs mittels PSA-Screening ist in vielen Ländern umstritten – auch in Deutschland. Dafür gibt es einige gute Gründe, zum Beispiel die Gefahr von Überdiagnosen. In diesem Fall hätte der Prostatakrebs den Männern zu Lebzeiten womöglich nie geschadet, weil er in vielen Fällen langsam wächst und die Männer an einer ganz anderen Ursache sterben. Die zweite Gefahr sind Übertherapien. Dann unterziehen sich Männer Krebsbehandlungen, die sie eventuell gar nicht gebraucht hätten, etwa einer Operation oder Bestrahlung. Und schließlich sind falsch-positive Befunde sind keine Seltenheit. Hier geraten Männer unter Prostatakrebsverdacht und müssen sich weiteren Untersuchungen unterziehen, etwa einer Biopsie. Danach stellt sich manchmal heraus, dass es sich gar nicht um Prostatakrebs gehandelt hat.

Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWIG) kam daher kürzlich zu dem Schluss, dass das PSA-Screening gesunden Männern mehr schade als nutze. Nur wenige Männer profitierten überhaupt davon. Daher müssen Männer hierzulande den PSA-Test zur Krebsfrüherkennung nach wie vor selbst bezahlen. 

PSA-Test und PSA-Werte

Lesen Sie, was für oder gegen einen PSA-Test spricht,  wie Sie die PSA-Werte richtig lesen und die wichtigsten Fragen und Antworten zum PSA-Wert

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild - Labor
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PSA-Wert und persönliches Risikoprofil bestimmen

Es gibt aber noch eine Alternative zur eher ungezielten Reihenuntersuchung der PSA-Werte bei gesunden Männern ab einem bestimmten Alter: Das risikoangepasste oder risikoadaptierte PSA-Screening,, für das viele Urologinnen und Urologen sich aussprechen. Es soll ein effektiveres und vor allem nebenwirkungsärmeres Früherkennungsprogramm für Prostatakrebs sein. Dabei messen Ärztinnen und Ärzte den PSA-Wert erstmals zwischen dem 45. und 50. Lebensjahr – er gilt dann als Ausgangswert.

„Wir wissen aus vielen Untersuchungen, dass ein Basiswert des prostataspezifischen Antigens, der im Alter von 45 bis 50 Jahren ermittelt wird, hohe Vorhersagekraft hat, ob bei einem Mann Jahrzehnte später ein Prostatakarzinom diagnostiziert wird“, sagt Peter Albers, Abteilungsleiter am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) und Leiter der Urologie am Universitätsklinikum Düsseldorf. Der PSA-Ausgangswert lässt also Rückschlüsse darauf zu, ob ein Mann später an Prostatakrebs erkrankt oder nicht. 

Zusätzlich ermitteln Ärztinnen und Ärzte  weitere individuelle Risikofaktoren, zum Beispiel eine familiäre Vorbelastung für Prostatakrebs. Bekannt ist, dass beim Prostatakarzinom genetische Faktoren eine große Rolle spielen: Ist schon der Vater, Onkel oder Bruder an Prostatakrebs erkrankt, erhöht sich das Risiko eines nahen männlichen Angehörigen um das Zwei- bis Sechsfache. Leidet die Mutter an Brustkrebs, kann ein Sohn ebenfalls ein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs haben. 

Interview

Der Urologe Dr. Frank Schiefelbein erklärt im Interview, warum ein risikoadaptierter PSA-Test die Zukunft ist und warum man den PSA-Test keinesfalls verteufeln sollte.

 

PSA-Wert bestimmen oder Prostata abtasten

Die sogenannte PROBASE-Studie untersucht, ob diese Strategie tatsächlich funktionieren könnte und welches das optimale Alter zur Bestimmung des PSA-Basiswertes ist – 45 oder 50 Jahre? Auch wollen die Forschenden wissen, ob der spätere Beginn des PSA-Screenings die Rate an unnötiger Diagnostik und Therapie spürbar reduzieren kann. Die Ergebnisse der ersten Screening-Runde wurden jetzt veröffentlicht.

Die Studie umfasste insgesamt 46.642 Männer im Alter von 45 Jahren. Vier Zentren in Düsseldorf, Heidelberg, Hannover und München nahmen daran teil. Die Männer wurden zwei verschiedenen Gruppen zugeordnet.

Bei der einen Hälfte der Männer (Studienarm A) wurde der PSA-Wert gleich zu Beginn der Studie bestimmt. Anhand dieses Wertes wurden sie in drei Risikogruppen für einen späteren Prostatakrebs eingeteilt: 

  • Niedriges Risiko: <1,5 ng/ml Blut
  • Mittleres Risiko: 1,5-2,99 ng/ml 
  • Hohes  Risiko: ≥3 ng/ml

 

Bestätigte sich ein hoher PSA-Wert von ≥3 ng/ml bei einer wiederholten Untersuchung, rieten Ärztinnen und Ärzte zu einer Prostatabiopsie. Die Gewebeentnahme sollte unter der Kontrolle der Magnetresonsanztomografie (MRT) stattfinden. Dagegen sollten Männer, deren Basis-PSA-Wert im niedrigen oder mittleren Bereich lag, den PSA-Test im Abstand von fünf beziehungsweise zwei Jahren wiederholen.

Erhöhter PSA?

Ein erhöhter PSA-Wert kann verschiedene Ursachen haben. Lesen Sie 6 Gründe für eine zu hohen PSA-Wert, die nicht Prostatakrebs heißen!

Prostata Hilfe Deutschland: Radfahrer

Den anderen Männern in Gruppe zwei (Studienarm B) boten die Mediziner und Medizinerinnen zunächst nur eine Tastuntersuchung der Prostata an. Dabei tasten sie die Prostata über den Enddarm mit dem Finger ab. So lassen sich Veränderungen der Prostata aufspüren, etwa eine Vergrößerung oder Verhärtung. Allerdings gilt die alleinige digitale rektale Untersuchung (DRU) als zu ungenau bei der Früherkennung von Prostatakrebs. Die Bestimmung des PSA-Wertes erfolgte in dieser Gruppe erst dann, wenn der Mann 50 Jahre alt geworden war. 

 

Früher PSA-Test oder Tastuntersuchung - die Ergebnisse

Für den Studienarm A der PROBASE-Studie – der PSA-Wert wurde gleich zu Beginn bestimmt - fanden die Forschenden folgendes heraus:

  • Nach der Bestätigung des Testergebnisses fielen nur 186 Männer (0,8 Prozent der Studienteilnehmer) in die Gruppe mit hohem Prostatakrebsrisiko
  • 120 dieser Männer entschieden sich zur weiteren Abklärung für eine Prostatabiopsie.
  • In der GEwebeprobe entdeckten Ärztinnen und Ärzte 48 Prostatakarzinome
  • Darunter waren nur vier bösartige Tumore, die eine höhere Aggressivität besaßen (0,02 Prozent aller Studienteilnehmer).
     

Für den Studienarm B – keine PSA-Bestimmung anfangs, sondern nur Tastuntersuchung - ergab die Studie folgendes Bild:

  • Nur bei zwei Männern wurde Prostatakrebs entdeckt.

Diese Ergebnisse belegten erneut, dass die DRU für eine wirksame Früherkennung von Prostatakrebs nicht geeignet sei, so die Forschenden. Die Tastuntersuchung im Alter von 45 Jahren entspricht jedoch dem derzeitigen Vorsorgeangebot der gesetzlichen Krankenkassen. Dazu kommt, dass viele Männer sich vor der Tastuntersuchung scheuen und gar nicht erst zur Prostatavorsorge gehen.

 

Risikoangepasstes PSA-Screening könnte die Zukunft sein

Besonders interessante Ergebnisse seien zu erwarten, wenn auch die Teilnehmer des Studienarms B im Alter von 50 Jahren die Bestimmung des PSA-Wertes und die Risikoabschätzung durchlaufen. „Dann können wir vergleichen, in welchem Alter wie viele Tumoren in welchen Stadien aufgespürt werden. Und daraus lässt sich ableiten, ob es sinnvoll ist, den Beginn des Screenings nach hinten zu verschieben“, erklärt Rudolf Kaaks, Epidemiologe vom DKFZ. Diese Daten sollen aber erst im Jahr 2025 vorliegen.

Voraussichtlich soll die PROBASE-Studie bis zum Jahr 2035 laufen. Dann erst können Fachleute entscheiden, ob das risikoangepasste PSA-Screening seine Aufgaben erfüllt: Nämlich die Mehrzahl der aggressiven Prostatatumore in einem frühen, heilbaren Stadium zu entdecken und gleichzeitig falsch-positive Befunde, die Überdiagnostik und Übertherapie zu vermeiden. 

 

USA: Weniger Screening = mehr metastasierte Prostatakarzinome 

Die Auswirkungen der Empfehlungen zum PSA-Screening lassen sich auch in den USA gut beobachten. Im Jahr 2008 hatte die US Preventive Services Task Force (USPSTF) von einem PSA-Screening bei Männern über 75 Jahren abgeraten. Im Jahr 2012 empfahl sie es auch nicht mehr für jüngere Männer – wegen der Gefahr für Überdiagnostik und Übertherapie. 

Eine aktuelle Studie wertete jetzt die Daten aus dem sogenannten SEERS-Register aus. Teilnehmer waren 836.282 Männer, die an Prostatakrebs erkrankt waren. Vor den geänderten Empfehlungen der USPSTF war die Häufigkeit des  bei Männern zwischen 45 und 74 Jahren stabil. Bei Männern über 75 Jahren sank sie sogar. 

Doch nach den veränderten Empfehlungen zum PSA-Screening nahm die Häufigkeit der die metastasierten Prostatakarzinome zu – und zwar in allen Altersgruppen. Ein Zusammenhang sei sehr wahrscheinlich, schreiben die Studienautoren. 

Im Jahr 2018 hat die USPSTF übrigens eine Kehrtwende vollzogen: Männer zwischen 55 und 69 sollten jetzt individuell entscheiden, ob sie ein PSA-Tests machen lassen möchten oder nicht. Ob und wie sich dies auf die Häufigkeit metastasierter Prostatakarzinome auswirkt, bleibt abzuwarten.  
 

Quellen: