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Leben mit Prostatakrebs: „Hoffe, mein Körper wehrt sich noch lange!“

21. Juli 2022 | von Ingrid Müller

Frank Hoffmann* erkrankte vor einigen Monaten an Prostatakrebs. Im Interview erzählt er, wie der Krebs trotz Therapien zurückkehrte, was ihm dann half, wie er seine Ernährung umstellte und warum er betroffenen Männern zu einem Plan B rät. Interview von Ingrid Müller

Herr Hoffmann*, Sie haben uns schon in mehreren Interviews von Ihrem Leben mit Prostatakrebs erzählt. Dies ist Folge 5. Vor einigen Monaten bekamen Sie die Nachricht, Ihr Prostatakrebs sei metastasiert. Obwohl es nach den Krebstherapien zunächst so aussah, als sei der Tumor weg. 

Zunächst einmal hätte ich nicht gedacht, dass wir unsere Geschichte auf der Prostata Hilfe jetzt doch noch weiter fort schreiben müssen. Nach den Krebstherapien und der Reha dachte ich, der Prostatakrebs sei jetzt erst einmal erledigt für mich – also gibt es auch nichts mehr Großartiges zu berichten. Ich hatte angenommen, dass ich mich wieder ganz den schönen Dingen des Lebens zuwenden kann und dem, was ich in der Zukunft noch alles vorhabe. Und glauben Sie mir, das ist eine ganze Menge! Meine Perspektive hat sich aber ein bisschen geändert: Ich hoffe jetzt, dass meine Geschichte noch möglichst lange andauert und erzählt werden kann. 

Dann erzählen Sie uns - wie geht es Ihnen jetzt?

Eigentlich ganz gut. Das Schöne ist, dass ich bisher keinerlei Schmerzen habe. Denn die würden meine Lebensfreude wirklich deutlich schmälern. Ich kann sogar sagen: Wenn ich nicht wüsste, was in mir ist, wäre ich der Meinung, ich sei absolut top für mein Alter. 

Lassen Sie uns nochmal kurz zurückblicken auf das, was Ihnen widerfahren ist. 

Die Diagnose Prostatakrebs hatte ich im April 2021 erhalten, eigentlich ist das noch gar nicht so lange her. Verglichen mit meinem etwa 70-jährigen Leben ist das nur ein kurzer Moment, der aber sehr einschneidend ist. Nach der Diagnose hatte ich mich für eine Operation entschieden, um den Krebs loszuwerden. Das schien mir die sicherste Möglichkeit zu sein, krebsfrei zu werden - und es auch zu bleiben. Auch die Ärzte hatten das so eingeschätzt. Sie sagten nach der OP: ‚Alles ist raus und Krebsmetastasen hieraus werden Sie nie mehr treffen‘. Nun ja, es ist leider doch anders gekommen. 

Interview

Frank Hoffmann erzählt im Interview, wie es ihm bei der Prostata-Op erging und warum er froh ist, dass der "Wildwuchs raus ist".

 

Wie haben Sie das bemerkt?

Ich selbst spürte eigentlich gar nichts, denn es gab keine Symptome, die auf eine Rückkehr des Krebses hindeuteten. Mein Arzt hatte bei einer Kontrolle im Dezember 2021, kurz vor Weihnachten, festgestellt, dass der PSA-Wert angestiegen war. So unmittelbar nach der OP hätte das so nicht sein dürfen. Weitere Untersuchungen ergaben, dass der Prostatakrebs nun doch Metastasen gebildet hatte. Die ärztliche Aussage damals war, meine Lebenserwartung läge jetzt noch bei ungefähr zwei Jahren. Keine besonders ermutigende Aussicht, wie Sie sich vorstellen können. Ein PSMA/PET-CT im Januar deckte dann einen Lymphknoten im Bereich der Leiste auf, in dem sich Metastasen gebildet hatten. 

DAS PSMA-PET/CT ist eine sehr genaue Untersuchung, um Metastasen aufzuspüren. Dennoch bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen sie oft nicht, wie wir von vielen Zuschriften wissen.

Also da sprechen Sie wirklich was an und haben einen schmerzenden Punkt beim mir getroffen! Denn meine gesetzliche Kasse bereitet mir hier auch ziemlich großen Ärger. Ich habe das PSMA-PET/CT gewählt, weil sich die anschließende Therapie – je nach Ergebnis - individuell auf jeden Mann zuschneiden lässt. Mein Urologe hat mir dafür eine Überweisung ausgestellt. Ich war froh, trotz voller ärztlicher Terminkalender und geschlossener Stationen aufgrund von Corona auch als Kassenpatient schnell einen Untersuchungstermin zu ergattern. Ein Eilantrag an meine Krankenkasse zur Kostenübernahme wurde erst nach dem erfolgten Untersuchungstermin bearbeitet – und anschließend vom Medizinischen Dienst und später auch nach meinem Widerspruch vom Verwaltungsrat der Krankenkasse abgelehnt. 

So wie ich Sie erlebe, haben Sie das nicht einfach so hingenommen.

Auf keinen Fall! Denn es gibt ein Gerichtsurteil in einem ähnlich gelagerten Fall, dass die gesetzliche Krankenkasse die Kosten für diese Untersuchung auszugleichen hat (Anm. der Redaktion: SG Karlsruhe, Urteil v. 11.10.2019, S 9 KR 795/18). Außerdem liegt ein Beschluss der Ärzte und Krankenkassen für diese Untersuchung vor und der Berufsverband Deutscher Nuklearmediziner e.V. hat schon im Februar 2020 eine Pressemitteilung veröffentlicht, dass das PSMA-PET/CT bei Prostatakrebs in bestimmten Fällen eine Kassenleistung ist. Dennoch wird die Kostenübernahme abgelehnt. Ich habe nun Klage vor dem Sozialgericht eingereicht. Dieses Vorgehen der gesetzlichen Kassen halte ich im Hinblick auf die schwer erkrankten Krebspatienten – mit Verlaub gesagt – für eine riesige Sauerei.

»Hoffentlich haben Sie nichts gefunden!«

Frank Hoffmann erzählt im Interview, wie es war, als sein PSA-Wert kurz nach der Prostata-OP unerwartet schnell anstieg.

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Nach dem PSMA-PET/CT – welche weiteren Behandlungen kamen auf Sie zu?

Ich habe mich für eine besondere Strahlentherapie entschieden, bei der Ärzte den Krebsherd zielgerichtet und punktgenau auf den Millimeter bestrahlen. Diese intensitätsmodulierter Radiotherapie oder IMRT ist also sehr genau. Ärzte erklärten mir, die IMRT sei eine Weiterentwicklung der normalen Strahlentherapie, die besonders strahlempfindliche Organe oder Körpergewebe in der Nähe des Tumors noch besser schützen könne.

Eine Hormontherapie, die ja bei Prostatakrebs sehr effektiv ist, wollten sie erst einmal nicht. 

Auch wenn ich mich derzeit gegen eine Hormontherapie entschieden habe: Ich lehne sie nicht grundsätzlich ab, sondern habe sie lediglich bis auf weiteres zurückgestellt. Ein wesentlicher Grund dafür war, dass sie nur eine Zeit lang wirkt, wie mir mein Arzt erklärt hat. Im Schnitt sind es zwei Jahre und danach wird der Prostatakrebs kastrationsresistent. Er wächst dann auch ohne Testosteron weiter. Ich gedenke aber, noch einige Zeit im Hier und Jetzt zu bleiben. Somit habe ich noch nicht alle Therapiemöglichkeiten ausgeschöpft, sondern mir eine Behandlungsoption aufgehoben, falls der Prostatakrebs wieder fortschreitet. Bisher scheint jedenfalls der Weg, den ich beschritten habe und den der Radiologe mir empfohlen hat, der Richtige für mich zu sein.

Woran machen Ärzte jetzt den Erfolg der Behandlung fest?

Ärzte überwachen ja den PSA-Wert in regelmäßigen Abständen. Wenn er wieder sinkt, ist dies ein Zeichen dafür, dass die Therapie gewirkt hat. Bei mir war der PSA-Wert rund sechs Wochen nach dem Abschluss der Bestrahlung wieder auf null gesunken. Auch die weiteren Kontrollen alle drei Monate ergaben diesen Wert. Das sind wirklich gute Nachrichten zur Abwechslung.

Nach der Op hatten Sie mit einer Inkontinenz zu kämpfen – wie viele Männer. Wie steht es heute damit?

Meine anfängliche Inkontinenz hat sich zwischenzeitlich durch Beckenbodenübungen und Tabletten zufriedenstellend verbessert. Nur wenn ich schwer hebe oder längere Zeit wandere, ist die Inkontinenzvorlage benetzt. Da ich gerne auch ein paar Biere bei Feierlichkeiten trinke, hatte ich einmal zu später Stunde eine durchnässte Hose, da wohl mein Schließmuskel durch den Alkoholkonsum nicht mehr funktionierte!? Peinlich, aber nicht zu ändern. Mit all dem kann ich aber leben. Die Potenz ist für mein Alter normal. Eine trockene Ejakulation ist sogar angenehm und die Gefühle dabei sind wie vor der Op.

Interview

Frank Hoffmann erzählt im Interview, warum er sich gegen Prostatakrebs gut gewappnet fühlte und wie er dennoch daran erkrankte.

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Werfen wir einen Blick auf die Corona-Pandemie, die ja wieder in vollem Gang ist und besonders für Menschen mit Krebs gefährlich werden kann. Hat das Coronavirus Sie bisher verschont?

Ich habe mich bereits viermal gegen Corona impfen lassen. Dennoch habe ich mir kurz vor einer geplanten Urlaubsreise das Coronavirus eingefangen. Eigentlich habe ich alles gut überstanden. Einige Wochen später jedoch traten plötzlich einseitige Nackenschmerzen auf und es war eine deutliche Schwellung in diesem Bereich sichtbar. Da wird man schnell nervös. Mein Hausarzt hatte sofort die Sorge, dass sich womöglich in weiteren Lymphknoten Metastasen angesiedelt haben könnten. Dem war allerdings nicht so. Eventuell war es eine Spätreaktion auf die Coronainfektion, glücklicherweise!

Sie kommen erstaunlich gut mit Ihrem Prostatakrebs und der neuen Situation zurecht – wie machen Sie das?

Ich sage mir, dass ich viele Jahrzehnte keine Erkrankung hatte. Ich hadere also nicht mit meinem Schicksal, sondern überlege, wie es für mich weitergehen kann. Nachdem  mich der Prostatakrebs jetzt getroffen hat, versuche ich,  die meines Erachtens besten Therapiewege gegen den Krebs zu finden. Ganz erstaunlich für mich ist: Diese Strategie beruhigt meine Psyche.

Sie geben Ihre Erfahrungen auch an andere betroffene Männer weiter.

Das ist für mich eine Selbstverständlichkeit, denn ich weiß ja etwas, was andere noch gar nicht wissen können. Also beteilige ich mich an Diskussionsforen im Internet und versuche, anderen Verzweifelten durch meine Erfahrungen zu helfen. Manchmal rufen mich auch Männer an, die an Prostatakrebs erkrankt sind und meinen Rat wünschen. Ich kann Betroffene in vielen Fällen beruhigen und ihnen Tipps für ihre eigene Therapie mit auf den Weg geben. Und ich kann ihnen helfen, ihren behandelnden Ärzten die richtigen Fragen zu stellen.

Sie haben auch einiges in Ihrem Alltag verändert, zum Beispiel essen Sie jetzt anders.

Ja, ich habe meine Ernährung komplett umgestellt. Tabu sind jetzt für mich Zucker, Weizenprodukte, Wurstwaren und alle Lebensmittel, in denen synthetische Zusatzstoffe verarbeitet sind. Stellen Sie sich vor: Auf diese Weise habe ich 16 Kilogramm abgenommen – ohne jegliches Hungergefühl. Davon können andere nur träumen, die mit den Pfunden zu kämpfen haben. Auch wenn gesundes Essen den Prostatakrebs nicht beseitigt, man fühlt sich körperlich wohler. 

»Die Zukunft positiv sehen und auch so gestalten«

Frank Hoffmann erzählt im Interview, wie er die Reha erlebte und wie er sich jetzt die Kontinenz und sein Leben zurück erobert.

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Sie raten Männern, die an Prostatakrebs erkrankt sind, sich einen Plan B zurecht zu legen. Warum?

Es ist einfach wichtig, sich auch auf einen „Worst Case“ bei Prostatakrebs vorzubereiten, zumindest einmal diesen Gedanken „was wäre wenn?“ zuzulassen. Natürlich möchte jeder am liebsten den Prostatakrebs wieder vollständig loswerden und geheilt sein! Aber was, wenn dies nicht eintritt? Dann muss man trotzdem handlungsfähig sein. Man möchte ja weiterleben! Und das geht nur, wenn man sich dieses Szenario vorher einmal durchdacht hat. 

Ich kann also nur jedem betroffenen Mann raten, sich im Internet, einschlägigen Foren und auch auf der Seite der „Prostata Hilfe Deutschland“ gut zu informieren. Ganz wichtig finde ich es auch, sich Zweitmeinungen von anderen Spezialisten einzuholen. Mit diesem Plan B ist man für den Ernstfall eher gewappnet und fühlt sich sicherer. Das ist jedenfalls meine persönliche Erfahrung. 

Wenn Sie jetzt nach vorne in die nächsten Monate und Jahre blicken – was sehen Sie?

Dass die Gefahr eines erneuten Ausbruchs der Krebserkrankung uns Betroffenen ein Leben lang erhalten bleibt und wir lernen müssen, einen Umgang mit diesem Risiko zu finden. Krebszellen schwirren durch unsere Blutbahnen und wir müssen darauf hoffen, dass unser Immunsystem sie erkennt und ausreichend bekämpft. Daher sind die quartalsweisen PSA-Untersuchungen auch so wichtig. Wenn der PSA-Wert steigt, ist das für mich jetzt ein Alarmsignal. Ich hoffe aber, dass sich mein Körper noch lange wehrt!   

* Name von der Redaktion geändert – unser Interviewpartner möchte anonym bleiben.