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Patientenrechte bei Prostatakrebs – welche habe ich?

14. März 2024 | von Ingrid Müller

Patientenrechte sind ein sehr hohes Gut. Sie stehen jedem Menschen mit einer Erkrankung, zum Beispiel Prostatakrebs, gesetzlich zu. Lesen Sie, welche Rechte Sie als Patient bei einer Krebserkrankung wie dem Prostatakarzinom haben.

Jedem Menschen mit einer Erkrankung stehen Patientenrechte zu. Das gilt auch für Prostatakrebs. Seit dem Jahr 2013 sind diese ausdrücklich im Patientenrechtegesetz verankert. Auf diese gesetzlichen Grundlagen können Sie sich berufen, wenn Sie Ihre Patientenrechte gegenüber Vertreterinnen und Vertretern der Gesundheitsberufe geltend machen möchten. Dazu gehören Ärztinnen und Ärzte sowie Fachleute aus anderen Gesundheitsberufen, etwa der Psychotherapie, Physiotherapie oder Heilpraktik. Auch gegenüber Ihrer Krankenkasse haben Sie bestimmte Rechte.

Behandlungsvertrag 

Wenn Sie in einer Arztpraxis oder im Krankenhaus Untersuchungen und Behandlungen durchführen lassen, gehen Sie mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt ein Vertragsverhältnis ein. Sie schließen einen medizinischen Behandlungsvertrag miteinander. Dieser ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) festgehalten. In einem eigenen Abschnitt (§ 630a bis § 630h BGB) wird das Vertragsverhältnis zwischen Behandelnden sowie Patientinnen und Patienten geregelt.

Damit der Vertrag zustande kommt, müssen Sie nichts Schriftliches unterzeichnen. Der Behandlungsvertrag ergibt sich allein aus Ihrem Verhalten, indem Sie die Arztpraxis aufsuchen und sich dort untersuchen und behandeln lassen. Umgekehrt verpflichten sich Ärztinnen, Ärzte und Fachleute aus anderen Gesundheitsberufen, die medizinische Untersuchung oder Behandlung zu erbringen.

Recht auf Information und Aufklärung

Ärztinnen und Ärzte müssen Sie bei einer Erkrankung wie dem Prostatakrebs über alle wesentlichen Fakten zur Diagnose, zu den geplanten Untersuchungen (z.B. Prostata-Biopsie) und Behandlungen aufklären. Sie selbst müssen über sämtliche Informationen verfügen, die für Sie und Ihre Entscheidungen wichtig sind. Dazu gehört es auch, wie sich Ihr Prostatakarzinom eventuell entwickeln wird, welche Prognose damit verbunden ist und welche die richtigen Krebsbehandlungen für Sie sind. Wichtig ist es auch, welche Chancen und Risiken mit einer Krebstherapie verbunden sind und welche Alternativen es zu den vorgeschlagenen Behandlungen gibt. 

Nicht gut infomiert

Viele Männer wissen nicht genug über Prostatakrebs und die möglichen Behandlungen.

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild - Mann mit Laptop
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Ärztinnen und Ärzte müssen Sie außerdem in einer verständlichen Sprache informieren. Das heißt: Sie müssen sich auf Sie einstellen und Ihren Wissenshintergrund berücksichtigen. Die wenigsten Menschen, die zu Patienten und Patientinnen werden, haben nämlich Medizin studiert oder kommen aus einem Gesundheitsberuf. Wenn sich Ihr Gegenüber im medizinischen Fachjargon ausdrückt, fragen Sie immer nach, wenn Sie die Information nicht verstanden haben. 

Rechtzeitig vor einem Eingriff, etwa einer Prostata-Op, muss ein mündliches Aufklärungsgespräch stattfinden. Sie können Fragen stellen und Ihre Entscheidung auf Basis dieser Informationen in Ruhe überlegen. Wägen Sie immer sämtliche Vor- und Nachteile ab. Beziehen Sie auch Ihre persönlichen Präferenzen, Werte und Überzeugungen in Ihre Überlegungen mit ein. 

Es gibt auch ein Recht auf Nichtwissen. Wenn Sie nicht informiert werden möchten, müssen Ärztinnen und Ärzte dies berücksichtigen.

Recht auf Selbstbestimmung

Das Recht auf Selbstbestimmung ist eng mit dem Wissen rund um Prostatakrebs und die möglichen Behandlungen verknüpft. Nur dann können Sie eine fundierte und gut informierte Entscheidung treffen, zum Beispiel über eine radikale Prostatektomie oder Strahlentherapie. Ob und wie Sie sich behandeln lassen, entscheiden Sie letztlich selbst. Sie können Untersuchungen oder Behandlungen auch ablehnen oder eine andere Therapie vorschlagen.

Am besten treffen Sie diese Entscheidung aber gemeinsam mit Ihrem Arzt oder Ihrer Ärztin nach dem Prinzip des „Shared Decision Making“ (zu deutsch: partizipative Entscheidungsfindung). Wenn Sie unsicher bezüglich der vorgeschlagenen Behandlungen sind, können Sie sich auch eine Zweitmeinung einholen – dies ist Ihr gutes Recht bei einer Prostatakrebserkrankung. Wichtig ist, dass Sie niemand zu einer Untersuchung oder Behandlung zwingen kann. Es ist allein Ihre persönliche Entscheidung. Sie sollten sich aber immer über die Tragweite Ihrer Entscheidung bewusst sein. 

Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL)

Viele Arztpraxen bieten Individuelle Gesundheitsleistungen (IGeL) an. Die Kosten dafür übernehmen die meisten gesetzlichen Krankenkassen nicht. Der Grund ist, dass die Wirksamkeit einer Untersuchung oder Behandlung noch nicht ausreichend wissenschaftlich belegt ist. Auch der PSA-Test zur Früherkennung von Prostatakrebs ist in Deutschland derzeit eine IGeL. Die Kosten dafür – rund 40 bis 50 Euro – müssen Sie selbst tragen.

Ärztinnen und Ärzte müssen Sie darüber aufklären, dass es sich um eine IGeL handelt und wie teuer die Methode ungefähr ist. Ein einfacher Hinweis, dass Kosten für Sie entstehen, genügt nicht. Auf dieser Basis können Sie selbst entscheiden, ob Sie die Untersuchung oder Behandlung durchführen lassen oder nicht. Sie sollten nicht anschließend von hohen Kosten überrascht werden. Beziffern Ärztinnen und Ärzte den Betrag nicht vorher, können sie den Geldbetrag danach auch nicht von Ihnen einfordern. 

Der IGeL-Monitor bietet eine Übersicht über verschiedenen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die im Moment Selbstzahlerleistungen sind. Die Liste wird regelmäßig aktualisiert. Außerdem begründen Expertinnen und Experten ihre Einschätzung als IGeL und geben die ungefähren Kosten für die jeweilige Methode an. 

Erhöhter PSA?

Dafür gibt es verschiedene Ursachen, z.B. Radfahren. Lesen Sie 6 Gründe, die nicht Prostatakrebs heißen.

(Elektronische) Patientenakte und Einsichtsrecht

Ärztinnen und Ärzte führen für jeden Fall eine Patientenakte, in die sie zeitnah alle wesentlichen Daten eintragen. Sie dokumentieren zum Beispiel:

 

Sie selbst haben jederzeit das Recht, Einsicht in Ihre Patientenakte zu nehmen.  Sie können auch eine Kopie der Akte anfordern (z.B. auf einem digitalen Datenträger). Die Kosten dafür müssen Sie allerdings selbst tragen. Die elektronische Patientenakte (ePA) soll in Zukunft die analoge Variante auf Papier ersetzen. Sie können bestimmen, welche Ärztinnen und Ärzte Zugriff auf Ihre Gesundheitsdaten erhalten sollen. 

Lehnen Ärztinnen und Ärzte die Einsichtnahme in die Patientenakte ab, müssen sie ihre Ablehnung begründen.  Außerdem müssen es kenntlich machen, wenn die Patientenakte später geändert oder ergänzt wurde. So lassen sich alle Vorgänge gut  nachvollziehen. Wichtig ist dies zum Beispiel für Haftungsfragen, etwa nach einem möglichen Behandlungsfehler. 

Behandlungsfehler

Allen Menschen können Fehler unterlaufen, auch Ärztinnen und Ärzten sowie Personen aus anderen Gesundheitsberufen. In den Patientenrechten ist jetzt mehr Transparenz und Offenheit für Haftungsfälle wegen Behandlungs- und Aufklärungsfehlern verankert. Gesetzlich festgelegt ist, dass Behandelnde unter bestimmten Voraussetzungen dazu verpflichtet sind, eigene Fehler zuzugeben und die Fehler anderer Behandelnder offenzulegen. 

Außerdem sind die Beweiserleichterungen ausdrücklich im Gesetz geregelt. Jeder kann im Gesetz nachlesen, welche Person im Prozess welche Dinge beweisen muss. Für bestimmte Kategorien, etwa einen „groben Behandlungsfehler“, sind Beweiserleichterungen zugunsten von Patientinnen und Patienten vorgesehen.

Wenn Sie den Verdacht auf einen Behandlungsfehler haben, sollten Sie immer mit dem betroffenen Arzt oder der Ärztin sprechen. Zudem können Sie Ihre Krankenkasse um Hilfe bitten. Sie muss ihre Mitglieder bei eventuellen Behandlungsfehlern kostenlos unterstützen.

Freie Wahl von Arzt und Krankenhaus

Wenn Sie gesetzlich versichert sind,  können Sie Ihre Ärztinnen, Ärzte und Krankenhäuser in der Regel frei wählen. Das gilt aber nicht für Privatärzte, Privatärztinnen und Privatkliniken. Die gewählten Ärztinnen und Ärzte müssen an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen. Manchmal schlagen Behandelnde ein Krankenhaus vor. Wenn Sie sich für ein anderes entscheiden, besteht die Möglichkeit, dass Sie eventuelle Mehrkosten selbst bezahlen müssen. 

Für Prostatakrebs gibt es zertifizierte Krebszentren (sogenannte Organzentren). Außerdem verfügt Deutschland über sogenannte Onkologische Spitzenzentren, in denen Sie mit einem Prostatakarzinom ebenfalls eine sehr gute Behandlung erhalten. In allen spezialisierten Zentren arbeiten medizinische Fachleute aus verschiedenen Fachrichtungen und Gesundheitsberufen eng Hand in Hand. Beispiele: Onkologie, Radiologie, Chirurgie, Anästhesie, Psychoonkologie, Sozialarbeit.

Schmerztherapie

Schmerzen können die Lebensqualität und Lebensfreude erheblich beeinträchtigen. Bei Prostatakrebs können Schmerzen zum Beispiel aufgrund von Knochenmetastasen auftreten. Menschen haben ein Recht auf Schmerzlinderung. Es gibt spezialisierte Schmerzzentren und Schmerztherapeuten, die sich gut mit der Schmerzbehandlung auskennen. Sie richten sich in der Regel nach dem Stufenschema der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Schmerzlinderung. 

Rehabilitation

Prostatakrebsbehandlungen sind oft intensiv und eine körperliche, seelische und geistige Herausforderung. In der Regel haben Sie nach dem Ende der ersten Krebstherapien einen Anspruch auf eine onkologische Rehabilitation (auch Anschlussheilbehandlung, AHB). Die Reha hat verschiedene Ziele: Sie sollen sich erholen, gesundheitlich gestärkt und – falls Sie berufstätig waren – auch bei der Rückkehr in den Beruf unterstützt werden. Das Reha-Team behandelt zudem Nebenwirkungen und Folgen (z.B. Erektile Dysfunktion, Inkontinenz) des Prostatakarzinoms sowie der Krebstherapien. Die AHB beantragen meist jene Ärztinnen und Ärzte, die die letzte Behandlung durchgeführt haben, in Absprache mit Ihnen. 

Reha

Die Reha schließt sich meist an den Klinikaufenthalt an. Lesen Sie, welche Ziele sie hat und wie sie genau abläuft. 

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild - Fahrrad an der Mauer
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Sozialleistungen und finanzielle Hilfen

Prostatakrebs ist eine Erkrankung, die nicht von heute auf morgen vorbei ist. Die Therapien können sich über Wochen und Monate hinziehen – je nach individuellem Fall. An Arbeiten und den Beruf  ist dann oft nicht zu denken. Sie haben einen Anspruch auf Soziale Leistungen und finanzielle Hilfen. Beispiele: Krankengeld, Pflegegeld, Kinderbetreuung, Haushaltshilfe, Reha, Wiedereingliederungsmaßnahmen, Arbeitslosengeld, Rente, Sozialhilfe, Schwerbehindertenhilfe, Schwerbehindertenausweis. Auch für den Arbeitsplatz gelten besondere Rechte. 

Palliativversorgung

Gesetzlich versicherte Personen haben ein Recht darauf, dass ihre Krankenkasse sie individuell zu Leistungen der Palliativ- und Hospizversorgung berät und ihnen Hilfestellung bietet. Dies ist im  Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) verankert (Dezember 2015).

Medizinische, pflegerische, psychologische und seelsorgerische Maßnahmen sollen die Versorgung von Menschen in der letzten Lebensphase verbessern. Das HPG möchten einen flächendeckenden Ausbau der Palliativ- und Hospizversorgung fördern. Die Palliativversorgung ist wichtig, wenn der Prostatakrebs schon weiter fortgeschritten ist und sich die Krankheit nicht mehr heilen lässt. Sie ist zu Hause, im Krankenhaus, im Pflegeheim oder im Hospiz möglich. 

Bis zuletzt mitentscheiden

Viele Menschen möchten bis zu ihrem Lebensende mitentscheiden - auch für den Fall, dass sie ihre persönlichen Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln können. Es gibt verschiedene Vorsorgemöglichkeiten:

  • Vorsorgevollmacht: Sie bestimmen eine Person Ihres Vertrauens, die dann in einzelnen Fällen oder in allen Angelegenheiten in Ihrem Sinn entscheidet.
  • Betreuungsverfügung: Sie legen eine Betreuungsperson fest. Diese wird vom Gericht bestellt, wenn es ohne rechtliche Betreuung nicht mehr weiter geht.
  • Patientenverfügung: Sie bestimmen, welche medizinischen Maßnahmen erfolgen und welche unterbleiben sollen.

 

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) bietet viele weitere  Informationen, Vordrucke und Musterformulare an. Sie können alle Infos in Ruhe studieren und sich die Vordrucke herunterladen. 


Quellen:

  • Bundesregierung „Ratgeber für Patientenrechte“, Stand: 30. Juni 2022, https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Gesundheit/Broschueren/BMJ_Patientenrechte_Broschuere_bf.pdf (Abruf: 13.3.2024)
  • Bundesministerium der Justiz (BMJ), https://www.bmj.de/DE/themen/patientenrechte/patientenrechte_node.html (Abruf: 13.3.2024)
  • Landesarbeitsgemeinschaft Onkologische Versorgung Brandenburg (LAGO), https://www.lago-brandenburg.de/wp-content/uploads/Flyer_Ihre-Rechte_2021.pdf (Abruf: 14.3.2024)
  • Deutsches Krebsforschungszentrum (DKFZ), https://www.krebsinformationsdienst.de/leben/rechte-bei-krebs/index.php (Abruf: 14.3.2024)