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Prostatakrebs: Bessere Früherkennung dank MRT?

19. September 2023 | von Ingrid Müller

Zur Früherkennung von Prostatakrebs bekommen Männer in Deutschland derzeit nur die Tastuntersuchung als Kassenleistung angeboten. Den PSA-Test müssen sie selbst bezahlen. Eine britische Studie überprüfte jetzt, ob die Magnetresonanztomografie (MRT) eine Möglichkeit ist, um Prostatakrebs verlässlicher ausfindig zu machen. 

Zur Früherkennung von Prostatakrebs bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen Männern in Deutschland derzeit nur die Tastuntersuchung – einmal pro Jahr, ab dem 45. Lebensjahr.  Der PSA-Test wird Männern zwar angeboten, ist aber derzeit noch keine Kassenleistung. Männer müssen ihn selbst bezahlen und die Kosten von ungefähr 40 Euro selbst tragen. Beide Methoden – die digital-rektale Untersuchung (DRU) und die Bestimmung des PSA-Wertes - haben jedoch ihre Schwächen. Für sich alleine genommen sind sie nicht aussagekräftig genug, um einen Prostatakrebs sicher aufzuspüren. 

Früherkennung von Prostatakrebs

Lesen Sie, welche Möglichkeiten es gibt und warum Männer dorthin gehen sollten!

Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild für Früherkennung und Vorsorge - Prostataabbildung auf Tablet
© Africa Studio/Adobe Stock

Wenn Ärztinnen und Ärzte aufgrund der Untersuchungsergebnisse den Verdacht auf ein Prostatakarzinom hegen, folgt im Anschluss meist ein transrektaler Ultraschall (TRUS) und eine Prostatabiopsie. Dabei entnehmen sie mit einer feinen Nadel Gewebeproben aus der Prostata, die anschließend im Labor unter dem Mikroskop auf Krebszellen hin untersucht werden. Die Biopsie besitzt einige Risiken und Nebenwirkungen und kann außerdem für die Männer unangenehm sein. Aber: Sie liefert in der Regel sehr zuverlässige Ergebnisse, ob Prostatakebs vorliegt oder nicht. 

Forschende arbeiten derzeit an neue Methoden, mit denen sich Prostatakrebs sicherer und mit weniger Risiken und Nebenwirkungen diagnostizieren lässt. Ein Forschungsteam des University College London (UCL) und des Kings College London untersuchte jetzt in einer Pilotstudie, wie gut die Magnetresonanztomografie (MRT) und die Bestimmung der PSA-Dichte als Screeningmaßnahmen auf Prostatakrebs abschneiden. Wichtigstes Ergebnis: Diese Kombination spürte Prostatakarzinome auf, die durch den PSA-Test alleine übersehen worden wären. Denn einige Männer hatten niedrige, unauffällige PSA-Werte, bei denen Ärztinnen und Ärzte sonst keinen Alarm geschlagen hätten. Über die Studienergebnisse berichtet das Team im Fachblatt BMJ Oncology.

Zwei Methoden zur Prostatakrebs-Früherkennung: MRT plus PSA-Dichte

An der Studie, der sogenannten „REIMAGINE Study“, nahmen 303 Männer zwischen 50 und 75 Jahren teil. Sie unterzogen sich sowohl einer MRT als auch einem PSA-Test, bei dem die PSA-Dichte bestimmt wurde. 

Die PSA-Dichte setzt den PSA-Wert ins Verhältnis zum Volumen der Prostata. Eine höhere PSA-Dichte bedeutet eine größere Wahrscheinlichkeit für Prostatakrebs und einen größeren bösartigen Tumor. Sehr kleine Karzinome lassen sich mit Hilfe der PSA-Dichte allerdings kaum erkennen. Das gilt besonders, wenn ein Mann zusätzlich eine gutartige Prostatavergrößerung hat. Es ist also noch unklar, wie hoch die Aussagekraft der PSA-Dichte ist.

Folgende Richtwerte gelten:

  • Eine PSA-Dichte < 0,1 ng/ml ccm Prostata gilt als eher unverdächtig.
  • Werte über 0,15 ng/ml ccm Prostata gelten als auffällig

 

Die Magnetresonanztomografie (MRT) ist ein bildgebendes Verfahren, das mit starken Magnetfeldern arbeitet, die gesundheitlich unbedenklich sind - im Gegensatz zu den Röntgenstrahlen bei einer Computertomografie (CT). Ärztinnen und Ärzte erhalten detaillierte Schnittbilder der Prostata und können Veränderungen und Auffälligkeiten erkennen.   

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Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild Prostata
© Kateryna Kon/Adobe Stock

MRT: Prostatakrebs entdeckt - trotz niedriger PSA-Werte

Die wichtigsten Studienergebnisse im Überblick:

  • Bei 48 Männern (16 Prozent) waren Auffälligkeiten auf den MRT-Bildern zu sehen. Diese deuteten darauf hin, dass die Männer womöglich Prostatakrebs haben könnten. Die PSA-Dichte lag durchschnittlich bei 1,2 ng/ml. 32 dieser Männer hatten niedrigere PSA-Werte als 3 ng/ml. Normalerweise würden bei diesen PSA-Werten  keine weiteren Schritte wie eine Prostatabiopsie folgen, sondern anschließend nur regelmäßige Kontrollen des PSA.  Frühere Screening-Studien hätten einen PSA-Wert von 3 ng/ml oder darüber als Grenzwert ermittelt, um weitere Tests zur Abklärung durchzuführen, schreiben die Autoren und Autorinnen der Studie. 
  • Bei 29 Männern (9,6 Prozent) diagnostizierten Ärztinnen und Ärzte ein Prostatakarzinom, das behandlungsbedürftig war. Bei 15 dieser Männer war der Prostatakrebs gefährlich, obwohl die PSA-Werte weniger als 3 ng/ml betrugen. 
  • Drei Männer (1 Prozent) hatten einen Prostatakrebs mit niedrigem Risiko, der zunächst keine Behandlung notwendig machte. Bei solchen Niedrig-Risiko-Prostatakarzinomen könne die Kombination aus Tastuntersuchung, PSA-Werten und der Biopsie mit Überdiagnosen und Übertherapien verbunden sein. Der Krebs würde den Männern dann zu Lebzeiten vermutlich nie Probleme bereiten und sie erhielten Behandlungen, die sie wahrscheinlich nicht gebraucht hätten. 

 

In Großbritannien bekommen Männer über 50 Jahre nur dann einen PSA-Test erstattet, wenn sie Symptome verspüren oder schon an Prostatakrebs erkrankt  sind. In Deutschland bezahlen die gesetzlichen Krankenkassen den PSA-Test, wenn der Verdacht auf Prostatakrebs besteht oder ein Mann schon Prostatakrebs hat. Dann ist der PSA-Test ein wichtiger Teil der Verlaufskontrolle.

Neuer Ansatz zur Früherkennung von Prostatakrebs nötig

Prof. Caroline Moore vom UCL, die Leiterin der Studie, sagt: „Der Gedanke ist ernüchternd, dass mehr als die Hälfte der Männer mit einem klinisch auffälligen und behandlungsbedürftigen Prostatakrebs PSA-Werte unter 3 ng/ml hat. Vermutlich wären sie beruhigt worden, dass sie aufgrund des PSA-Tests alleine keinen Krebs haben.“ Es sei daher notwendig, einen neuen Ansatz für das Prostatakrebs-Screening zu entwickeln. 

Die Studienergebnisse deuteten darauf hin, dass die MRT eine verlässlichere Methode sei, potenziell gefährliche Prostatakarzinome frühzeitig ausfindig zu machen, so Moore weiter. „Ein weiterer Vorteil ist, dass weniger als ein Prozent der Studienteilnehmer eine Überdiagnose mit einem Niedrig-Risiko-Prostatakrebs erhielten.“ Um die Ergebnisse weiter zu bewerten, seien mehr Studien mit einer größeren Anzahl von Probanden nötig. 

Früherkennung

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Mann liegt im MRT
(c) Walter/Adobe Stock

Prof. Mark Emberton, Urologe vom UCL und Seniorautor der Studie, betont: In Großbritannien sei die Sterblichkeitsrate von Männern mit Prostatakrebs etwa zweimal so hoch wie in anderen Länder, etwa in den USA oder Spanien. Ein wesentlicher Grund sei, dass Männer deutlich weniger getestet würden als in anderen Ländern. „Wenn man bedenkt, wie gut Prostatakrebs behandelbar ist, wenn er rechtzeitig entdeckt wird, bin ich zuversichtlich, dass ein nationales Screening-Programm die Sterblichkeitsrate deutlich reduzieren wird“, sagt Emberton. Er rechne mit einem Zeitraum innerhalb der nächsten fünf Jahre. 

Prostatakrebsfrüherkennung: Allein die Tastuntersuchung wird bezahlt

Auch in Deutschland diskutieren Ärztinnen und Ärzte seit mehreren Jahren über die richtige Maßnahme zur Prostatakrebs-Früherkennung. Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen für Männer ab 45 Jahren derzeit nur einmal jährlich eine Tastuntersuchung (digital-rektale Untersuchung = DRU). Doch sie liefert oft zu ungenaue Ergebnisse, wenn sie als alleinige Methode zum Einsatz kommt. 

Die sogenannte PROBASE-Studie, die das Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) in Heidelberg koordiniert, stellte der Tastuntersuchung kürzlich kein gutes Zeugnis aus. Übersehen würden vor allem kleine Tumoren im Frühstadium, die aber ohne Behandlung wachsen könnten. Das Fazit der Forschungsgruppe: „Unsere Studie lässt vermuten, dass die DRU einfach nicht empfindlich genug ist, um solche Prostatatumoren im Frühstadium zu erkennen.“ Dazu kommt, dass viele Männer das Angebot der digitalen-rektalen Untersuchung gar nicht erst wahrnehmen. Gründe dafür gibt es viele, zum Beispiel Scham oder die Angst vor einer Krankheitsdiagnose. 

Auch der PSA-Test hat einige Schwächen, wenngleich er der empfindlichste Hinweisgeber auf Prostatakrebs ist, den Ärzte und Ärztinnen derzeit haben. Der PSA-Test ist in Deutschland aber keine Kassenleistung und Männer müssen ihn weiterhin selbst bezahlen. Das IQWIG urteilte erst kürzlich, der PSA-Test schade vielen Männer mehr als er nutze. Nur wenige Männer hätten Vorteile von einem PSA-Screening. Die Kritikpunkte sind häufige Überdiagnosen und Übertherapien.

Experten-Interview

Warum der risikoadaptierte PSA-Test die Zukunft der Früherkennung ist, erklärt der Urologe Dr. Frank Schiefelbein im Interview.

Prostatakrebs erkennen: Risikoangepasster PSA-Test und Stockholm-3-Test 

Viele Urologen und Urologinnen sprechen sich daher für andere Früherkennungskonzepte statt für ein flächendeckendes PSA-Screening aus, etwa für einen risikoangepassten oder risikoadaptieren PSA-Test. Dahinter steckt die Idee, das individuelle Risikoprofil eines Mannes zu ermitteln. Bestimmt wird der PSA-Wert in diesem Fall erstmalig im Alter zwischen 40 und 45 Jahren – dieser Wert dient dann als Ausgangswert. Ist der PSA zu diesem Zeitpunkt erhöht, bedeutet dies ein besonderes Risiko. Diese Männer entwickeln häufiger und früher einen aggressiven Prostatakrebs. 

Auch wenn Prostatakrebs gehäuft in der Familie vorkommt, ist dies ein Risikofaktor für einen Mann. Daher erheben Ärzte und Ärztinnen auch die Familiengeschichte. Ist zum Beispiel der Vater, Onkel oder Bruder schon an einem Prostatakarzinom erkrankt, hat ein naher männlicher Angehöriger ein zwei- bis sechsfach erhöhtes Risiko, ebenfalls an dieser Krebsart zu erkranken. Auch wenn eine Mutter an Brustkrebs leidet, kann der Sohn ein Prostatakarzinom entwickeln.  Die Gene spielen also bei Prostatakrebs mit. Daher gibt es einen anderen Vorschlag, nämlich beim PSA-Wert die Gene zu berücksichtigen und den erblichen Anteil herauszurechnen. Ein weiterer Vorteil des risikoangepassten PSA-Tests: Männer ab 70 Jahren, die ein niedriges Risikoprofil haben, können die Vorsorge ganz vernachlässigen.

Auch der Stockholm-3-Test ist eventuell eine Möglichkeit, um Prostatakrebs frühzeitig zu entdecken. Dabei werden Informationen über Bluteiweiße, genetische Varianten und individuelle Daten der Männer, etwa Prostatakrebs in der Familie, miteinander kombiniert. Der Urologe Dr. Frank Schiefelbein ordnet den STHLM3-Test und die Kostenübernahmen durch die Krankenkassen allerdings so ein: „Da habe ich im Moment wenig Hoffnung. Die Deutsche Gesellschaft für Urologie konnte nicht einmal den PSA-Test als Kassenleistung durchsetzen. Und mit einem weitaus teureren Test wäre dies noch unwahrscheinlicher. Der Stockholm-3-Test  wird deshalb vermutlich Männern vorbehalten bleiben, die bereit sind, die Kosten dafür selbst zu tragen."

Quellen:

  • Moore CM et al. Prevalence of MRI lesions in men responding to a GP-led invitation for a prostate health check: a prospective cohort study, BMJ Oncology, https://bmjoncology.bmj.com/content/2/1/e000057 (Abruf: 18.9.2023)
  • University College London (UCL), press release, https://www.ucl.ac.uk/news/2023/aug/mri-scans-improve-prostate-cancer-diagnosis-screening-trial-0 (Abruf: 18.9.2023)