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PSA-Test – wenn Männer zu oft hingehen

15. Februar 2023 | von Ingrid Müller

Manche Männer gehen viel öfters als empfohlen zum PSA-Test. Dies führe zu Überdiagnosen und Übertherapien und schade mehr als es nutze, ergab eine US-Studie. Das Kunstwort für zu häufige PSA-Tests: Prosterie.

Der PSA-Test ist in Deutschland ein wichtiger Teil der Früherkennung von Prostatakrebs. Ärztinnen und Ärzte können aus dem PSA-Wert ablesen, wie es um die Prostatagesundheit bestellt ist. Allerdings ist der PSA-Wert als alleiniger Parameter nicht unbedingt zuverlässig, weil der er auch ohne Prostatakrebs erhöht sein kann, etwa aufgrund einer Prostatavergrößerung oder Prostataentzündung. Je nach Höhe des gemessenen PSA-Wertes empfehlen Ärztinnen und Ärzte unterschiedliche Kontrollintervalle: jedes Jahr, alle zwei oder alle vier Jahre.  

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Prostata Hilfe Deutschland: Radfahrer
moshehar/Pixabay.com

In Deutschland nehmen viele Männer das Angebot zur Früherkennung von Prostatakrebs  nicht wahr, etwa die Tastuntersuchung oder einen PSA-Test. In der Corona-Pandemie ist dieser Prozentsatz nochmals zurückgegangen. Auf der anderen Seite gibt es aber offenbar eine Gruppe von Männern, die PSA-Tests weitaus häufiger als angeraten vornehmen lässt, wie eine US-Studie herausfand. Etwa ein Mann von 20 Männern lässt seinen PSA-Wert öfters als empfohlen bestimmen. Diese Männer liefen jedoch Gefahr, Überdiagnosen und Übertherapien zu erhalten. Der PSA-Test richte dann mehr Schaden an als er nutze. Zu diesem Schluss kommt das Forschungsteam um Dylan Peterson, Urologe von der Stanford University School of Medicine in Palo Alto. Die Ergebnisse veröffentlichten die Forschenden im Fachmagazin Urology.

Diesem Phänomen, dass Männer aus Angst um ihre Prostatagesundheit gehäuft PSA-Tests binnen kurzer Zeit vornehmen lassen, gaben die Wissenschaftler sogar einen eigenen Namen: Prosterie – eine Wortkreation aus „Prostata“ und „Hysterie“. 

Prosterie – Männer lassen zu oft den PSA-Wert messen

In die Studie waren die Daten von gut 9,7 Millionen PSA-Tests eingeflossen, die von etwa drei Millionen Männern aus den Jahren 2003 bis 2019 stammten. Im Schnitt ließen die Männer das prostataspezifische Antigen im Blut ungefähr alle 1,5 Jahre bestimmen. PSA-Messungen innerhalb von 90 Tagen wurden als ein PSA-Test gewertet. Als Prosterie stuften die Forschenden mehr als drei PSA-Tests innerhalb von höchstens 270 Tagen ein. 

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie im Überblick:

  • Ungefähr 4,5 Prozent der Männer hätten eine Prosterie, stellten die Forschenden fest. 
  • Der Anteil der Männer, die ihren PSA-Wert oft bestimmen ließen, sei im ausgewerteten Zeitraum angestiegen: von 5,9 Prozent im Jahr 2003 auf 13,2 Prozent im Jahr 2019. 
  • Pro Jahr nahm der Prozentsatz jener Männer, die sich gehäuft testen ließen, um 0,53 Prozent zu
  • Im Schnitt waren die gemessenen  PSA-Werte bei  Männern mit Prosterie höher: 2,5 gegenüber 1,4 ng/ml. Zum Zeitpunkt der Prostatakrebs-Diagnose lagen die Werte allerdings niedriger, nämlich bei 6,8 gegenüber 7,3 ng/ml.
  • Vor allem Männer mit höherem Einkommen, höherer Bildung und einer nicht-weißen ethnischen Herkunft waren anfällig für die Prosterie
  • Bei Männern, die sich im empfohlenen Alter für die Früherkennung befanden, stellten die Forschenden geringere Raten an Prosterie fest. 

 

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Zu häufige PSA-Test: mehr Biopsien, mehr Krebsdiagnosen 

Die vielen PSA-Tests innerhalb einer kurzen Zeitspanne hatten einige Folgen für die Männer. Sie wirkten sich zum Beispiel auf die Häufigkeit der Prostatabiopsien aus. Insgesamt unterzogen sich 210.000 Männer einer Gewebeentnahme – 82.000 erhielten danach die Diagnose „Prostatakrebs“

Bei Männern mit einer Prosterie führten Ärztinnen und Ärzte ungefähr doppelt so oft Biopsien durch wie bei jenen Männer, die normale Intervalle für die PSA-Tests einhielten (16,5 gegenüber 8,0 pro 100 Männer). Auch Krebsdiagnosen wurden in der Prosterie-Gruppe häufiger gestellt: 7,4 Prozent erhielten die Diagnose „Prostatakrebs“. In der Kontrollgruppe ohne gehäufte PSA-Tests waren es dagegen nur 2,6 Prozent. 

Die Forschenden schreiben: „Männer mit Prosterie unterzogen sich mit höherer Wahrscheinlichkeit einer Biopsie und erhielten häufiger eine Krebsdiagnose. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Prosterie zu Überdiagnostik und Übertherapie führt. Sie unterstützen daher die derzeitigen Empfehlungen zum PSA-Test.“ Ärztinnen und Ärzte sollten Männer, die öfters als empfohlen ihren PSA-Wert messen lassen möchten, dahingehend beraten. Kurz auf den Punkt gebracht: Mehr ist nicht immer mehr... 

Keine Veränderung bei den Krebstherapien durch Prosterie

Auf die Krebstherapie wirkte sich die Prosterie in den ersten beiden Jahren nach der Krebsdiagnose nicht aus. Etwa genauso viele Männer aus beiden Gruppen durchliefen anschließend Behandlungen wegen ihres Prostatakrebses.

Nur im ersten Jahr fanden die Forschenden Unterschiede. Und diese bezogen sich nur auf die Anzahl der Männer, die sich einer Operation der Prostata unterzogen (radikale Prostatektomie). Bei Männern mit Prosterie fiel die Rate an Prostata-OPs um rund elf Prozent geringer aus. 

Fundierte wissenschaftliche Rückschlüsse lassen sich daraus allerdings nicht ableiten. Denn in den Daten waren keine tumorspezifischen Daten festgehalten, etwa zum Stadium des Prostatakrebses oder zur Aggressivität (Gleason-Score). Diese sind aber notwendig, weil für Männer – je nach Stadium und Gefährlichkeit des Krebses - nicht nur die Prostatektomie in Frage kommt. Beispiele sind die Aktive Überwachung oder eine Strahlentherapie (von außen oder von innen). 

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Prostata Hilfe Deutschland: Illustrationsbild für Behandlung bei Prostatakrebs - Ärzte im Operationssaal

Prostatakrebs – Früherkennung ab dem 45. Lebensjahr

Die Prostatakrebsfrüherkennung ist in Deutschland für Männer ab dem 45. Lebensjahr einmal pro Jahr empfohlen. Dazu gehört in erster Linie die Tastuntersuchung (digitale-rektale Untersuchung), die die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen. Aber auch der PSA-Test liefert wichtige Hinweise auf Prostatakrebs – diese Blutuntersuchung bezahlen die Krankenkassen jedoch nicht. Das Argument: Er schade vielen Männern mehr als er nütze, sagt das IQWIG

Denn der PSA-Test ist ganz allgemein mit Überdiagnosen und Übertherapien verbunden. Im ersten Fall diagnostizieren Ärztinnen und Ärzte einen Prostatakrebs, der Männern zu Lebzeiten vermutlich nicht gefährlich geworden wäre. Oft ist ein Prostatakarzinom nämlich wenig aggressiv und wächst langsam. Daraus folgen wiederum Krebsbehandlungen, die ein Mann vielleicht nicht gebraucht hätte. Dennoch ist die Prostatakrebsfrüherkennung für jeden Mann wichtig, weil ein rechtzeitig entdecktes Prostatakarzinom besser behandelbar und in vielen Fällen auch heilbar ist.

Quellen: