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Speicheltest erkennt Prostatakrebs

14. Juni 2024 | von Ingrid Müller

Ein einfacher und kostengünstiger Speicheltest identifiziert Männer mit einem hohen Risiko für Prostatakrebs . Er liefert genauere Ergebnisse als ein PSA-Test und findet mehr aggressive Tumore.

Die Früherkennung von Prostatakrebs fußt in Deutschland derzeit nur auf zwei Methoden, die jeweils nicht besonders genau sind:  auf der Tastuntersuchung (DRU) mit dem Abtasten der Prostata, die bei Männer nicht sonderlich beliebt ist, und dem PSA-Test. Diesen müssen Männer in Deutschland auch noch selbst bezahlen. Beide Früherkennungsmethoden haben ihre Schwächen und sind für sich alleine genommen nicht aussagekräftig genug. Die Tastuntersuchung sei zu ungenau und versage gar als Maßnahme, urteilte kürzliche eine Forschungsgruppe. Beide Verfahren können immer nur Hinweise auf ein Prostatakarzinom liefern, ermöglichen aber keine sichere Diagnose.

"Jede entzündliche Veränderung und jede gutartige Vergrößerung kann mit einem erhöhten PSA vergesellschaftet sein", erklärt der Urologe Dr. Frank Schiefelbein.

Jetzt haben Forschende des Institute of Cancer Research (IRC) in London und vom The Royal Marsden NHS Foundation Trust einen neuen Speicheltest entwickelt. Er soll genauere Ergebnisse liefern als ein Standard-Bluttest auf das prostataspezifische Antigen (PSA) und jene Männer identifizieren, die ein hohes Risiko für Prostatakrebs haben. Die Ergebnisse ihrer Studie stellten sie auf dem Jahrestreffen der American Society oft Clinical Oncology (ASCO) in Chicago vor. 

Früherkennung

Lesen Sie, welche Methoden der Prostatakrebsfrüherkennung es gibt und wie aussagekräftig diese sind.

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Genetischer Risikoscore für Prostatakrebs entwickelt

An der sogenannte BARCODE 1-Studie nahmen 6.142 Männer aus Europa teil, die aus verschiedenen Arztpraxen rekrutiert worden waren. Im Schnitt waren sie 55 bis 69 Jahre alt. In diesem Alter steigt für Männer die Gefahr eines Mannes, an Prostatakrebs zu erkranken. Im Schnitt sind Männer bei der Diagnose „bösartiger Prostatatumor“ 72 Jahre alt. Das Alter ist der wichtigste Risikofaktor für diese häufigste Krebsart bei Männern. Aber auch die Gene, die Verwandtschaft und ethnische Herkunft gelten als Risikofaktoren. 

Das persönliche Prostatakrebsrisiko eines Mannes kalkulierten die Forschenden anhand von DNA-Proben, die sie aus dem Speichel der Männer gewonnen hatten. Der Speicheltest fahndet nach 130 genetischen Varianten im DNA-Code, die mit Prostatakrebs in Verbindung stehen. Für die Entwicklung des Tests wurde zuvor das Erbgut (DNA) von Hunderttausenden Männern analysiert. Identifiziert wurden besondere Risikovarianten für Männer asiatischer und afrikanischer Herkunft. An diese Männer mit hohem Prostatakrebsrisiko richtete sich der Speicheltest. Ermittelt wurde für jeden Mann ein sogenannter „polygenetischer Risikoscore“, der – je nach individuellem Risiko – unterschiedlich hoch ausfällt. 

Jene Männer mit den höchsten Risikoscores, die viele dieser risikoerhöhenden Varianten geerbt und die größte Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung von Prostatakrebs hatten, wurden zu weiteren Untersuchungen eingeladen. Sie unterzogen sich einer Magnetresonanztomografie (MRT = Kernspintomografie) und einer Prostatabiopsie. Dabei werden Gewebeproben aus der Prostata entnommen und anschließend im Labor unter dem Mikroskop analysiert

Speicheltest ist genauer als PSA-Test

558 Männer waren in die Hochrisikogruppe eingestuft worden. 187 dieser Männer (40 Prozent) erhielten anschließend die Diagnose „Prostatakrebs“. Zum Vergleich: Bei einem PSA-Test wird bei ungefähr 25 Prozent der Männer mit erhöhten PSA-Werten, die sich weiteren Untersuchungen unterziehen, tatsächlich die Diagnose „Prostatakarzinom“ gestellt. Für Männer mit den höchsten Risikoscores lieferte der Speicheltest also genauere Ergebnisse als der PSA-Test. 

Dieser misst die Menge an prostataspezifischem Antigen – ein Eiweiß, das nur Prostatazellen herstellen. Es zirkuliert in geringen Mengen im Blut und lässt sich dort nachweisen. Ein erhöhter PSA-Wert kann ein Hinweis auf Prostatakrebs sein, muss es aber nicht unbedingt. Es gibt noch mehrere andere Gründe, warum der PSA erhöht sein kann, zum Beispiel eine vergrößerte Prostata oder vorheriger Druck auf die Vorsteherdrüse (z.B. Sex, Radfahren…). 

147 der 187 Männer (77,8 Prozent), bei denen Prostatakrebs gefunden worden war, hatten einen PSA-Wert von weniger als 3,0 Mikrogramm pro Liter (µg/L). Diese Werte seien eigentlich als „normal“ anzusehen, schreibt die Forschungsgruppe. Daher würden in diesen Fällen zunächst auch keine weiteren Untersuchungen folgen. Mehrere Studien hatten gezeigt, dass der PSA-Test viele Männer identifiziert, deren Prostatakrebs langsam wächst und die eigentlich keine Behandlung brauchen.

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Speicheltest spürt mehr aggressive Tumoren auf

Der Speicheltest, der sich den polygenetischen Risikoscore zunutze macht, fand zudem im Vergleich zum PSA-Test mehr Männern heraus, die einen aggressiven Prostatakrebs hatten. Diese Tumoren wachsen schnell und der Krebs breitet sich rasch aus. Die Gefahr ist hoch, dass der Krebs Metastasen in anderen Organen und Geweben bildet, etwa in den Knochen. Diese Tumoren gelten als sehr gefährlich. Von den 187 per Speicheltest entdeckten Prostatakarzinomen waren 55,1 Prozent aggressiv. Der PSA-Test findet dagegen nur etwa 35,5 Prozent aggressive Prostatatumoren. 

Außerdem sei der polygenetische Risikotest bei Männern mit hohem genetischem Risiko genauer als eine MRT, so die Forschungsgruppe. Bei 119 Männer (63,6 Prozent) wurde der Prostatakrebs durch eine Biopsie bestätigt. Allerdings war ihr Tumor im MRT nicht sichtbar, die Bilder zeigten keine Auffälligkeiten.  

Nach der Diagnose erhielten 62 der 187 Männer eine aktive Behandlung, zum Beispiel eine Operation oder Bestrahlung. Die anderen Männer unterzogen sich einer Aktiven Überwachung. Dabei wird der Tumor nur in regelmäßigen Zeitabständen kontrolliert. Wächst er weiter, beginnen Ärztinnen und Ärzte mit der Krebstherapie.

Zusammengefasst:

  • Für Männer mit dem höchsten erblichen Risiko für Prostatakrebs lieferte der Speicheltest weniger falsch-positive Ergebnisse als der PSA-Test. „Falsch-positiv“ bedeutet, dass der Test zwar anschlägt, aber Männer doch keinen Prostatakrebs haben.
  • Der Speicheltest fischte jene Männer mit Prostatakrebs heraus, die der PSA-Test alleine übersehen hätte
  • Zudem identifizierte der Speicheltest mehr aggressive Tumoren, die einer anschließenden Krebsbehandlung bedürfen. 
  • Der Speicheltest fand Männer mit einem Prostatakarzinom heraus, die in der MRT keine Auffälligkeiten gezeigt hatten und somit übersehen worden wären.  

 

Speicheltest als zusätzliches Screening-Werkzeug

Weil der PSA-Test oft ungenau Ergebnisse liefere, könne der Speicheltest ein zusätzliches Angebot für Männer mit einem hohen Risiko für Prostatakrebs sein, schreibt das Forschungsteam. Auch für Männer mit Symptomen, etwa Beschwerden beim Wasserlassen, sei der Test auf Prostatakrebs aus dem Speichel eine Option. 

Die Forschenden werden jetzt Männer mit einem hohen polygenetischen Risikoscore weiter beobachten und kontrollieren, ob sie an Prostatakrebs erkranken oder nicht. Überprüft werden soll auch, wie gut der Speicheltest im Vergleich zum PSA-Test und zu MRT-Aufnahmen abschneidet. Männer mit einem niedrigen erblichen Risiko profitierten womöglich eher von einer alternativen Untersuchungsmethode.  

„Mit diesem Test könnte sich das Blatt bei Prostatakrebs vielleicht wenden“, sagt Prof. Ros Eeles vom ICR in London.

„Wir konnten zeigen, dass ein einfacher und billiger Speicheltest ein effektives Werkzeug ist, um Männer zu identifizieren, die aufgrund ihrer genetischen Veranlagung ein erhöhtes Risiko für Prostatakrebs haben.“ Auf der Basis von Jahrzehnte langer Forschung zu genetischen Markern für Prostatakrebs konnten wir zeigen, „dass die Theorie in der Praxis funktioniert“, so Eeles weiter. Man könne Männer mit einem hohen Risiko für aggressiven Prostatakrebs identifizieren, bei denen weitere Untersuchungen notwendig seien. „Und wir können jenen Männer mit einem niedrigen Risiko unnötige Behandlungen ersparen.“  

Als nächstes möchte die Forschungsgruppe die genetischen Marker, die mit einem erhöhten Prostatakrebsrisiko verbunden sind, in verschiedenen Populationsgruppen testen (TRANSFORM-Studie). Es gelte sicherzustellen, dass alle Männer vom Speicheltest profitieren können. 

Prof. Kristian Helin vom IRC erklärt: „Ein Krebs, der früh erkannt wird, ist in vielen Fällen heilbar. Wir gehen davon aus, dass sich die Prostatakrebsfälle bis zum Jahr 2040 verdoppeln werden. Dann brauchen wir ein geeignetes Früherkennungsprogramm, um Prostatakrebs rechtzeitig zu diagnostizieren.“ Der PSA-Test könne für Männer unnötige Behandlungen bedeuten, aber noch viel besorgniserregender sei, dass der Bluttest Männer mit Prostatakrebs übersehe. „Wir brauchen also dringend verbesserte Screeningmethoden für diese Krebsart“, so Helin weiter. „Diese Studie ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung und verdeutlicht, dass genetischen Tests eventuell auch Leben retten können.“

Prostatakrebs

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Prostata Hilfe Deutschland: Grafik einer Krebszelle
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PSA-Test alleine zu ungenau

Der PSA-Test soll Männer mit einem hohen Prostatakrebsrisiko aufspüren, etwa aufgrund ihrer ethnischen Herkunft oder ihres Alters. Auch bei Männern, die Symptome zeigen, kann der PSA-Test bei der Früherkennung helfen. Wenn Ärztinnen und Ärzte erhöhte PSA-Werte feststellen, folgen weitere Untersuchungen. Dies können bildgebende Verfahren wie ein transrektaler Ultraschall (TRUS) und eine Magnetresonanztomografie sein. Zuletzt entnehmen Ärztinnen und Ärzte meist Gewebeproben aus der Prostata im Rahmen einer Biopsie. Die feingewebliche Analyse der Zellen unter dem Mikroskop zeigt meist mit hoher Sicherheit, ob die Zellen gutartig oder bösartig sind. 

Die Schwäche des PSA-Tests: In drei von vier Fälle schlägt er falschen Alarm. Am Ende stellt sich heraus, dass ein Mann zwar erhöhte PSA-Werte, aber keinen Prostatakrebs hat. Außerdem finden Ärztinnen und Ärzte oft Tumoren, die langsam wachsen und wenig aggressiv sind. Solche Prostatakarzinome sind in der Regel nicht lebensbedrohlich und würden Männern zu Lebzeiten keine Probleme machen. Man spricht von „Überdiagnosen“. Diese wenig aggressiven Tumore werden aber behandelt, zum Beispiel mittels Operation oder Strahlentherapie. Oft schaden diese Behandlungen aufgrund der Nebenwirkungen (Erektile Dysfunktion, Inkontinenz) mehr als sie nutzen. Dies gleicht einer Übertherapie

Daher tüfteln Forschungsteams überall auf der Welt an neuen Methoden zur Früherkennung von Prostatakrebs. Vielversprechend scheint der risikoangepasste PSA-Test, bei dem persönliche Risikofaktoren eines Mannes berücksichtigt werden. In Deutschland wir derzeit das Thema „Prostatakrebsfrüherkennung“ neu geordnet.

 

Quellen: